Ein Ring von Tiffany - Roman
sie lächelte bloß. »Offen gestanden weiß ich nicht so recht, weshalb ich hier bin...«
Die Verkäuferin war vermutlich hoch in den Vierzigern, aber für ihr Alter ziemlich gut erhalten. Sie trug ein sehr feminines, so vorteilhaftes wie seriöses marineblaues Kostüm und war fachmännisch geschminkt. Nun deutete sie zu einer kleinen Sitzgruppe und bedeutete Adriana, Platz zu nehmen.
Der Chauffeur verzog sich diskret, als Adriana sich auf einem antiken Samtdiwan niederließ. Er war üppig gepolstert und in seiner Eleganz sehr einladend, aber sie stellte fest, dass sie vorsichtig auf einer Ecke balancieren musste, um nicht nach hinten zu kippen. Eine mollige Frau in einer altmodischen Hausmädchentracht stellte ein Tablett mit Tee und Keksen vor ihr ab.
»Danke, Ama«, sagte die Verkäuferin, ohne sie eines Blickes zu würdigen.
» Gracias, Ama«, schloss Adriana sich an. » Me gustan sus aretes. Son de aqui? Was haben Sie für hübsche Ohrringe. Sind sie von hier?«
Die Frau errötete; offenbar war sie es nicht gewohnt, dass Kunden das Wort an sie richteten. » Si, señora, son de aqui. Un regalo de boda hace casi veinte años. Ja, gnädige Frau, das sind sie. Ein Geschenk des Hauses zu meiner Hochzeit vor fast zwanzig Jahren.«
» Muy lindos. « Adriana nickte beifällig; Ama errötete erneut und verschwand hinter einer schweren Samtportiere.
»Wie kommt es, dass Sie so fließend Spanisch sprechen?«, erkundigte sich die Verkäuferin, eher aus Höflichkeit denn aus echtem Interesse.
»Meine Muttersprache ist Portugiesisch, aber in Brasilien lernen wir alle auch Spanisch. Verwandte Sprachen«, erläuterte Adriana geduldig, obwohl sie ihre Spannung kaum noch verbergen konnte.
»Ach, wie interessant.«
Nein, ist es nicht , dachte Adriana und überlegte gleichzeitig, ob sie hier und jetzt wohl eine Art Geschwindigkeitsrekord in der Kategorie Heiratsantrag aufstellen würde. Toby konnte doch nicht ernstlich schon soweit sein, oder? Nein, das war völlig absurd; sie kannten sich doch erst seit Anfang des Sommers. Aller Wahrscheinlichkeit nach hatte er allmählich kalte Füße wegen ihres imaginären »geheimen Liebhabers« bekommen und - völlig korrekt - beschlossen, mithilfe eines kleinen Angebindes das Pendel zu seinen Gunsten ausschwingen zu lassen.
»Es ist ungewöhnlich kühl heute, nicht wahr?«, bemerkte die Verkäuferin.
»Mhm.« Schluss mit dem Geschwafel!, hätte Adriana am liebsten gebrüllt. Ich. Will. Mein. Geschenk!
»Nun, meine Liebe, Sie fragen sich vermutlich, aus welchem Grund Sie hier sind«, sagte die Verkäuferin.
Die Untertreibung des Jahrhunderts , dachte Adriana.
»Mr. Baron hat mich gebeten, Ihnen eine Kleinigkeit vorzulegen, nämlich« - wie aufs Stichwort erschien ein Herr um die sechzig in einem dreiteiligen Anzug mit einer Juwelierslupe um den Hals und überreichte der Verkäuferin ein kleines, mit Samt bezogenes Tablett, das sie Adriana hinhielt - »dies hier.«
Perfekt auf schwarzem Samt platziert lagen dort die schönsten Ohrringe, die Adriana je gesehen hatte. Mehr als schön, um genau zu sein - absolut umwerfend.
Die Verkäuferin tippte sacht mit einem manikürten Fingernagel auf eines der beiden Prachtexemplare. »Hübsch, nicht?«
Adriana atmete nach mehr als einer Minute erstmals wieder aus. »Sie sind wirklich erlesen. Tropfenohrringe mit Saphiren,
genau wie die, die Salma Hayek mal bei einer Topgala getragen hat«, hauchte sie.
Der Kopf der Verkäuferin fuhr in die Höhe; sie starrte Adriana an. »Liebe Güte, Sie kennen sich mit Schmuck aber wirklich gut aus, oder?«
»Nicht direkt«, sagte Adriana lachend, »aber zumindest mit Ihrem Schmuck.« Es war ein Wunder - nein, es war schlicht erstaunlich -, dass Toby sich daran erinnert hatte, wie sie Salmas Ohrringe in einer alten Zeitschrift bewunderte. Das allein war schon unglaublich genug, aber dass er das Bild aufgehoben und zwei Monate später ein identisches Paar gefunden hatte, war kaum zu fassen.
»Nun, dies sind tatsächlich ebenjene Ohrringe, die Ms. Hayek bei der Gala getragen hat. Sie waren eine Leihgabe, und wir haben ihretwegen seither viele Anfragen erhalten. Doch nun« - sie legte eine dramatisch wirkungsvolle Pause ein - »gehören sie Ihnen.«
»Ohhhhh«, hauchte Adriana, wiederum vorübergehend nicht Herrin ihrer selbst, und machte ungeschickte Versuche, sie probeweise anzulegen.
Eine Viertelstunde später glitt Adriana, angetan mit den promigetesteten Saphirtropfenohrringen, auf den
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