Ein Ring von Tiffany - Roman
phänomenal erfolgreichen Modelkarriere war sie dank eines liebenswerten und hart arbeitenden Ehemannes, der sie vergötterte, zum Luxusweib mutiert. Ein Familienstammsitz in São Paulo, eine Villa mit Meerblick in Portugal sowie Traumwohnungen in New York und Dubai - das war schon nicht zu verachten. Die Pelze und Juwelen, die Autos und die Bediensteten waren auch nicht schlecht, und selbstverständlich machte Mrs. de Souza regen Gebrauch von
ihrem Freibrief in Sachen Geldausgeben - eine Klausel, auf der sie bestanden hatte, bevor die Hochzeit über die Bühne ging. Es war ziemlich lästig, sich die endlosen »Lektionen« ihrer Mutter anhören zu müssen, aber was Männer im Allgemeinen und Besonderen betraf, stellte Adriana Mrs. de Souzas Autorität nicht in Frage.
Die Limousine bog von der 405 auf die Wilshire ab und schlängelte sich durch Westwood und Synagogue Alley. Adriana starrte aus dem Fenster. Ihr letzter Aufenthalt in L. A. lag schon ein paar Jahre zurück, aber sie war sich ziemlich sicher, dass der Chauffeur soeben die Abzweigung zu ihrem Hotel verpasst hatte.
»Sir? Entschuldigung, aber ich glaube, wir sind gerade am Peninsula vorbeigefahren. War das nicht der Santa Monica Boulevard?«
Er hüstelte und warf ihr im Rückspiegel einen Blick zu. »Mr. Baron hat uns umdirigiert, Madam.«
»Ach ja? Tja, ich fürchte, da muss ich seine Pläne über den Haufen werfen. Ich möchte zuerst in mein Hotel, bitte.« So begierig sie auch darauf war, Tobys Prachtschuppen, sprich, ihr künftiges Heim, zu begutachten, erst mal musste sie dringend etwas an ihrer Labberfrisur und ihrem käsigen Reiseteint tun.
Ihre Verärgerung verwandelte sich in Entsetzen, als der Chauffeur sie ignorierte und einfach weiterfuhr. Wurde sie gekidnappt? War der Chauffeur irgendein Perverser, der austickte, sobald eine hübsche junge Frau bei ihm einstieg? Sollte sie Toby anrufen? Ihre Mutter? Die Polizei?
»Tut mir leid, Madam. Es ist bloß so, dass -«
»Wären Sie wohl bitte so gut und nennen mich nicht ›Madam‹?«, fauchte Adriana, deren Todesangst schlagartig verflogen war.
Der Chauffeur wirkte angemessen verlegen. »Selbstverständlich. Miss. Ich wollte nur sagen, dass Sie meiner Meinung nach von unserem Zielort angenehm überrascht sein werden.«
»Fahren wir zu Madonnas Kabbala-Zentrum?«, fragte sie hoffnungsvoll.
»Nein, Madam. Äh, Miss.«
»Zu Toms Scientology-Zentrum?«
»Leider nein.« Er setzte zu einer schönen, hochwillkommenen Linkskurve an und bog auf den Rodeo Drive ein.
»Oder besuchen wir Paris im Gefängnis?« Jetzt, in dieser höchst erfreulichen Umgebung, ließ es sich leicht scherzen.
Der Chauffeur parkte im absoluten Halteverbot, stellte den Motor aus und half Adriana aus dem Wagen. Dann bot er ihr seinen Arm: »Wenn Sie mir folgen wollen...«
Er führte sie an einem Bebe-Geschäft (auf dem Rodeo Drive!) vorbei, und einen Moment lang überfiel sie Panik, bis sie das Schild sah. Es verschlug ihr den Atem. Am liebsten hätte sie losgeträllert, losgeheult, losgebrüllt, alles gleichzeitig. Großer Gott, großer Gott, großer Gott , dachte sie und zwang sich, Luft in homöopathischen Dosen zu sich zu nehmen. Es konnte nicht sein. Oder doch? Ein rascher, prüfender Blick auf die atemberaubenden Schaufensterauslagen bestätigte es ihr: Sie hatten soeben die heiligen Hallen des Oscar-Ausschmückers par excellence betreten, die Los-Angeles-Dependance von - Tiffany.
»Ach du grüne Neune«, japste sie vernehmlich; erst einen Augenblick später fiel ihr auf, dass sowohl der Chauffeur als auch eine hochnäsig wirkende Verkäuferin sie höchst aufmerksam beobachteten.
»Ja, es kann einen schon überwältigen«, sagte die Verkäuferin und nickte gespielt verständnisvoll. »Sind Sie zum ersten Mal bei uns?«
Adriana fing sich rasch wieder. Das könnte diesem Weib so passen, sie von oben herab zu behandeln. Sie zeigte ihr strahlendstes Lächeln und legte der Frau eine Hand auf den Arm. »Zum ersten Mal?«, fragte Adriana mit einem kleinen, amüsierten Lachen. »Schön wär’s. Ich war nur ein wenig erstaunt, weil ich dachte, es ginge zu Bulgari.«
»Aha«, murmelte die Verkäuferin, die ihr offenbar kein Wort glaubte. »Nun, ich fürchte, für heute werden Sie sich mit unserem bescheidenen Angebot begnügen müssen, nicht wahr?«
Normalerweise hätte Adriana schwer mit sich ringen müssen, nicht mit einer fiesen Bemerkung zu kontern, aber in dieser glanzvollen Umgebung verpuffte ihr Kampfgeist, und
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