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Ein Rückblick aus dem Jahr 2000

Ein Rückblick aus dem Jahr 2000

Titel: Ein Rückblick aus dem Jahr 2000 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Bellamy
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eine Kuppel, die sich hundert Fuß hoch über uns wölbte. Unter ihr, inmitten der Halle, plätscherte ein prächtiger Springbrunnen, dessen sprühende Strahlen köstliche Frische verbreiteten. Die Wände sowie die Decke waren mit Freskomalereien in zarten Tönen bedeckt, die das hereinflutende Licht dämpften, ohne es aufzusaugen. Um den Springbrunnen herum standen Sitze aller Art, auf denen Plaudernde es sich bequem gemacht hatten. Aufschriften an den Wänden zeigten an, für welche Arten von Waren die darunterstehenden Ladentische bestimmt waren. Edith lenkte ihre Schritte zu einem davon, auf dem Musselinproben in erstaunlicher Mannigfaltigkeit ausgelegt waren, und begann sie zu besichtigen.
    „Wo bleibt der Verkäufer?“ fragte ich, denn es stand keiner hinter dem Ladentisch, und niemand schien zu kommen, um die Kundin zu bedienen.
    „Ich brauche ihn noch nicht“, sagte Edith. „Ich habe mich noch nicht entschieden.“
    „Zu meiner Zeit“, versetzte ich, „war es die Hauptaufgabe des Verkäufers, den Käufern bei ihrer Wahl behilflich zu sein.“
    „Wie, den Leuten zu sagen, was sie wünschten und brauchten?“
    „Gewiß! Und noch öfter sie zu veranlassen, zu kau fen, was sie nicht brauchten.“
    „Aber fanden die Damen das nicht aufdringlich?“ fragte Edith verwundert. „Wie konnten die Angestellten ein Interesse daran haben, ob die Leute kauften oder nicht?“
    „Gewiß hatten sie ein Interesse daran“, antwortete ich. „Sie waren zu dem Zwecke gemietet, die Waren an den Mann zu bringen. Man hielt es für ihre Pflicht, daß sie alles daransetzten, ja die Käufer fast mit Gewalt zurückhalten mußten, um nur dieses Ziel zu erreichen.“
    „Ach ja! Wie kopflos von mir, das zu vergessen“, sagte Edith. „Zu Ihrer Zeit hing die Existenz des Ladenbesitzers und seiner Angestellten davon ab, daß die auf Lager befindlichen Waren verkauft wurden. Das ist natürlich jetzt ganz anders. Die Vorräte gehören der Nation. Sie sind für die Leute da, die sie brauchen, und es ist die Aufgabe der Angestellten, diese zu bedienen und ihre Aufträge entgegenzunehmen. Es liegt jedoch weder im Interesse der Bedienenden noch der Nation, auch nur einen Meter oder ein Pfund von irgend etwas an jemanden loszuwerden, der die Sache nicht braucht.“ Lächelnd setzte das junge Mädchen darauf hinzu: „Wie sonderbar muß es doch gewesen sein, als die Verkäufer einen zu bereden suchten, zu nehmen, was man nicht brauchte oder worüber man selbst noch nicht im klaren war.“
    „Aber auch im zwanzigsten Jahrhundert könnte sich ein Angestellter nützlich machen“, sagte ich. „Er könn te Ihnen Auskunft über die Waren erteilen, ohne daß er Sie dabei bestürmte, diese oder jene zu nehmen.“
    „Nein“, erwiderte Edith. „Das ist nicht Sache des Angestellten. Alle Auskunft, die wir nur wünschen oder brauchen können, wird uns durch diese gedruck ten Karten gegeben, für die unsere Behörden verantwortlich sind.“
    Ich sah nun, daß an jedem Muster eine Karte befestigt war, die gedrängt alle nötigen Angaben über Fabrikationsart, Material, Eigenschaften und Preis der Waren enthielt, so daß nichts zu fragen übrigblieb.
    „Der Angestellte hat also über die Waren nichts mitzuteilen, die er verkauft?“ fragte ich.
    „Ganz und gar nichts. Es ist nicht nötig, daß er etwas von ihnen versteht oder zu verstehen vorgibt. Man fordert nichts von ihm, als daß er unsere Bestellungen artig und aufmerksam entgegennimmt.“
    „Welche Unsumme von Lügen doch diese einfache Einrichtung erspart“, rief ich aus.
    „Wollen Sie damit sagen, daß zu Ihrer Zeit alle Verkäufer ihre Waren in lügenhafter Weise anpriesen?“ fragte mich Edith.
    „Gott behüte!“ erwiderte ich. „Es gab viele, die das nicht taten, und sie verdienten ganz besondere Anerkennung. Da die eigene Existenz und die von Weib und Kind davon abhing, möglichst viel Waren abzusetzen, war die Versuchung fast überwältigend, die Kunden zu täuschen oder sie in ihrer Täuschung zu lassen. Aber, Fräulein Leete, ich ziehe Sie durch mein Geschwätz von Ihrem Einkauf ab.“
    „Durchaus nicht, meine Wahl ist schon getroffen.“ Bei diesen Worten drückte Edith auf einen Knopf, und sofort erschien ein Angestellter. Er schrieb ihre Bestellung mit einem Kopierstift auf, händigte das eine Ex emplar der Aufzeichnung Edith ein und legte das ande re in ein Kuvert, das er in ein Leitungsrohr warf.
    „Der Käufer erhält das Duplikat der Bestellung“, sagte Edith,

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