Ein Rückblick aus dem Jahr 2000
„Die Musterlager der Dörfer sind durch Leitungsrohre mit dem Zentralwarenlager des Bezirks verbunden, das manchmal zwanzig Meilen weit entfernt liegt. Die Leitung funktioniert jedoch so rasch, daß zwischen Bestellung und Ablieferung nur eine beispiellos kurze Zeit verstreicht. Der Ersparnis halber sind in manchen Landbezirken mehrere Dörfer nur durch eine gemeinsame Leitungslinie mit dem Zentralwarenlager verbunden. In diesem Falle geht die Erledigung von Aufträgen langsamer vonstatten, weil ein Dorf warten muß, bis die aus einem anderen eingelaufenen Bestellungen besorgt worden sind. Es dauert dann zuweilen zwei bis drei Stunden, ehe man die bestellten Dinge erhält. Ich verbrachte den letzten Sommer in einem solchen Orte und fand diese Einrichtung recht unbequem.“ {8}
„Die Musterlager der ländlichen Bezirke müssen ohne Zweifel auch noch in anderen Beziehungen hinter denen der Städte zurückstehen?“ wendete ich ein.
„Nein“, antwortete Edith. „Abgesehen von der erwähnten Unzulänglichkeit sind ländliche wie städtische Musterlager gleich gut. Das Musterlager des kleinsten Dörfchens ermöglicht so gut wie dieses Warenhaus hier eine Auswahl aus allen Erzeugnissen des Landes, denn beide haben genau die nämlichen Bezugsquellen für ihre Proben.“
Während wir weitergingen, machte ich meine Bemerkungen darüber, daß die Häuser nach Größe und Pracht sehr verschieden waren. „Wie verträgt sich“, so fragte ich, „diese Verschiedenheit damit, daß alle Bür ger das gleiche Einkommen haben?“
„Sie erklärt sich einfach genug“, antwortete Edith. „Zwar haben alle Bürger das gleiche Einkommen, über seine Verwendung aber entscheidet das Belieben des einzelnen. Die einen haben schöne Pferde gern, die anderen, wie ich zum Beispiel, ziehen schöne Kleider vor, und dritte haben an einer wohlbesetzten Tafel ihre Freude. Der Mietzins, den die Nation für diese Häuser bezieht, ist je nach Größe, Eleganz und Lage verschieden, so daß jeder eine ihm zusagende Wohnung finden kann. Die größeren Häuser werden meist auch von größeren Familien bewohnt, in denen mehrere Angehörige zum Mietzins beitragen. Kleine Familien dagegen, wie die unsrige, finden kleine Häuser bequemer und billiger. Der einzelne wählt sein Heim ausschließlich nach seinem Geschmack und seiner Bequemlichkeit. Ich habe gelesen, daß in früheren Zeiten die Leute oft Wohnungen mieteten und andere Ausgaben machten, die ihre Mittel weit überstiegen, weil sie für reicher gehalten werden wollten, als sie in Wirklichkeit waren. Kam dies wirklich vor, Herr West?“
„Ich muß zugeben, daß es der Fall war“, entgegnete ich.
„Wie Sie sehen, wäre das heutzutage ganz und gar unmöglich“, versetzte Edith. „Man weiß, wie hoch das Einkommen eines jeden ist, und daß alles, was auf der einen Seite mehr ausgegeben wird, auf der anderen gespart werden muß.“
11. Kapitel
Im Musikzimmer
Als wir nach Hause kamen, war Doktor Leete noch nicht zurückgekehrt, und Frau Leete befand sich auf ihrem Zimmer.
„Lieben Sie Musik, Herr West?“ fragte Edith.
Ich versicherte ihr, daß nach meiner Ansicht Musik das halbe Leben sei.
„Ich müßte eigentlich wegen meiner Frage um Entschuldigung bitten“, sagte das junge Mädchen. „Heutzutage pflegt man diese Frage gar nicht zu stellen. Allein ich habe gelesen, daß es zu Ihrer Zeit sogar unter den Gebildeten Leute gab, die von Musik nichts wissen wollten.“
„Ein Grund entschuldigt dies“, sagte ich. „Es gab zu meiner Zeit Musik, die ganz unkünstlerisch war.“
„Das weiß ich“, sagte sie, „und ich glaube fast, daß solche Musik auch nicht nach meinem Geschmack gewesen wäre. Möchten Sie vielleicht jetzt etwas von unserer Musik hören, Herr West?“
„Ihnen zu lauschen, würde mir die größte Freude sein“, erwiderte ich.
„Mir!“ rief Edith lachend aus. „Dachten Sie, ich wollte Ihnen etwas vorspielen oder vorsingen?“
„Gewiß, das hoffte ich“, versetzte ich.
Da Edith bemerkte, daß ich etwas verwirrt, ja beschämt war, unterdrückte sie ihre Heiterkeit. „Natürlich“, sagte sie, „singen wir heutzutage alle; das Singen gilt als selbstverständlich für die Ausbildung der Stimme. Manche Leute lernen auch zu ihrem persönlichen Vergnügen ein Instrument spielen. Allein unsere Leistungen stehen an Schönheit und Vollendung so weit hinter denen der Musiker von Beruf zurück, und es ist uns so leicht, uns den von ihnen gebotenen
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