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Ein Rückblick aus dem Jahr 2000

Ein Rückblick aus dem Jahr 2000

Titel: Ein Rückblick aus dem Jahr 2000 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Bellamy
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jeder Bürger während eines bestimmten Zeitraumes der Nation durch seine Arbeit dient. Wir lassen ihm nicht, wie Ihre Zeitgenossen, die Wahl, zu arbeiten, zu stehlen oder zu verhungern. Von diesem einen Grundgesetz abgesehen, beruht unsere Gesellschaftsordnung in keiner Weise auf gesetzlichem Zwang. Und das Gesetz ist so gefaßt, daß es alle gleich trifft und keinen drückt. Es ist der Ausdruck eines Naturgesetzes, des Gesetzes, das den Garten Eden regierte. Kein Zwang regelt unsere Ordnung, nur freiwilliges Übereinkommen; unser Grundgesetz ist die logische Folge des Tätigkeitsdranges der menschlichen Natur unter vernünftigen Verhältnissen. Gerade die Erbschaftsfrage beleuchtet dies trefflich. Da die Nation der einzige Kapitalist und Grundeigentümer ist, so bleibt natürlich der persönliche Besitz des einzelnen auf seinen jährlichen Kredit beschränkt und auf die angeschafften Gebrauchs- und Haushaltungsgegenstände. Der Kredit erlischt wie eine. Pension zu Ihrer Zeit mit dem Tode; er begreift nur noch eine bestimmte Summe für das Begräbnis in sich. Was der einzelne sonst sein eigen nennt, das kann er hinterlassen, wem er will.“
    „Wodurch verhütet man“, fragte ich, „daß sich nicht doch im Laufe der Zeit durch Erbschaft wertvolle Besitztümer in den Händen einzelner anhäufen und die Gleichheit in den Lebensverhältnissen der Bürger ernstlich bedroht wird?“
    „Das wird ganz einfach von selbst verhindert“, lautete die Antwort. „Bei unserer Organisation der Gesellschaft wird angehäufter Privatbesitz zur Last, sobald er das übersteigt, was wirklich unsere Behaglichkeit erhöht. Wer zu Ihrer Zeit sein Haus mit Gold- und Silbergerät, seltenem Porzellan, kostbaren Möbeln und ähnlichen Dingen vollgepfropft hatte, der galt für reich, weil diese Dinge Geldeswert besaßen und jederzeit in Geld umgesetzt werden konnten. Heutzutage würde man jemand sehr bedauern, der durch die Hinterlassenschaften von hundert gleichzeitig verstorbenen Verwandten zu solchem Besitz käme. Die Gegenstände können nicht verkauft werden, sie hätten für den Erben also keinen Wert, es sei denn, er benütze sie tatsächlich oder erfreue sich an ihrer Schönheit. Da aber sein Jahreskredit der gleiche bleibt, so müßte er sein Einkommen damit erschöpfen, Häuser zur Aufbewahrung seiner Besitztümer zu mieten und Leute zu bezahlen, die sie in Ordnung hielten. Sie können fest von diesem überzeugt sein: der glückliche Erbe würde so schnell wie möglich unter seine Freunde die Gegenstände verteilen, deren Besitz ihn nur ärmer macht, und keiner der Freunde würde mehr annehmen, als er in seiner Wohnung bequem unterbringen und selbst in Ordnung halten könnte. Sie sehen also, daß es eine ganz überflüssige Vorsichtsmaßregel wäre, wollte die Nation die Vererbung persönlichen Eigentums verbieten, um der Anhäufung von Privatbesitz vorzubeugen. Sie kann es getrost jedem Bürger selbst überlassen, darauf zu ach ten, daß er nicht mit Besitz überlastet wird. Der einzelne ist in dieser Beziehung so vorsichtig, daß er gewöhnlich auf den größten Teil vom Nachlaß seiner verstorbenen Angehörigen verzichtet und sich nur wenige Gegenstände vorbehält, die für ihn von besonderem Wert sind. Die Nation übernimmt den übrigen Nachlaß und überweist Sachen von Wert dem Gemeingut.“
    „Sie sprachen von einer Bezahlung der Leute, die die Häuser in Ordnung zu halten haben“, sagte ich. „Ih re Bemerkung ruft mir eine Frage in den Sinn, die ich schon mehrmals an Sie richten wollte. Wie haben Sie die Dienstbotenfrage gelöst? Wer möchte wohl Dienstbote in einem Gemeinwesen sein, wo alle Mitglieder gesellschaftlich einander gleich sind? Schon für die Damen meiner Zeit hielt es recht schwer, Dienstmädchen zu finden, und doch konnte damals von einer sozialen Gleichstellung kaum die Rede sein.“
    „Gerade weil wir alle gesellschaftlich gleichstehen, so daß diese Gleichheit durch nichts verletzt werden kann, und weil Dienen ehrenvoll in einer Gesellschaft ist, deren Grundidee lautet, daß alle ihre Glieder einander dienen sollen, wäre es uns ein leichtes, ein so vorzügliches Dienstpersonal zu haben, wie Sie es nie erträumt hätten, wenn wir nur Bedienende brauchten“, erwiderte Doktor Leete. „Allein wir brauchen sie nicht.“
    „Wer besorgt aber die Hausarbeit?“ fragte ich.
    „Es gibt keine Hausarbeit“, antwortete Frau Leete, an die ich meine Frage gerichtet hatte. „Unsere Wäsche wird zu äußerst

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