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Ein Rückblick aus dem Jahr 2000

Ein Rückblick aus dem Jahr 2000

Titel: Ein Rückblick aus dem Jahr 2000 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Bellamy
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verbindet, wo das ausgewählte Werk aufgeführt wird. Die Programme sind derartig zusammengestellt, daß die gleichzeitig gespielten Stücke eine große Auswahl bieten, und zwar nicht nur von Instrumental- und Vokalmusik und den verschiedenen Instrumenten, sondern auch der mannigfaltigsten Motive, von den ernstesten bis zu den heitersten. Auf diese Weise können jeder Geschmack und jede Stimmung befriedigt werden.“
    „Es scheint mir, Fräulein Leete“, sagte ich, „daß wir zu meiner Zeit geglaubt hätten, den Gipfel der menschlichen Glückseligkeit erklommen zu haben, wäre es uns gelungen, eine Einrichtung wie diese zu ersinnen. Nämlich daß jeder in seinem Heim Musik hören konn te, die nicht nur vollendet in ihrer Ausführung und unabhängig von einer bestimmten Veranstaltung war, sondern auch jeder Stimmung angemessen, und die nach Belieben des Zuhörers anfing und endete. Es scheint mir, daß wir bei diesem Wirklichkeit gewordenen Märchen darauf verzichtet hätten, nach weiteren Verbesserungen zu streben.“
    „Ich konnte mir bisher nie recht vorstellen“, sagte Edith, „wie der altmodische Musikgenuß von denen Ihrer Zeitgenossen ertragen werden konnte, die musikalisch waren. Eine Musik, die des Anhörens wirklich wert war, blieb den Massen ganz unerreichbar. Ja, selbst die Bevorrechteten konnten gute Musik nur mit großen Unbequemlichkeiten und außerordentlichen Kosten hören, und das obendrein nur während einer kurzen Zeit, die von einem Dritten nach Belieben be stimmt wurde. Zu alledem mußte man noch viele ande re Unannehmlichkeiten mit in Kauf nehmen. Ihre Konzer te, Ihre Opern, du lieber Himmel! Sie mußten einen Menschen zur Verzweiflung bringen! Um ein oder zwei Musikstücke nach seinem Geschmack zu hören, war man gezwungen, stundenlang dazusitzen und eine Musik über sich ergehen zu lassen, die einem nicht gefiel. Bei Tisch braucht man die Gänge nicht zu nehmen, die man nicht gern ißt. Auch der Hungrigste würde nicht gern an einer Mahlzeit teilnehmen, wenn er alles essen müßte, was auf den Tisch käme. Und ich bin überzeugt, daß das Gehör des Menschen nicht weniger empfindlich ist als sein Geschmack. Weil es so schwer war, sich wirklich gute Musik zu verschaffen, so meine ich, ertrug man zu Ihrer Zeit im eigenen Hause das Spiel und den Gesang von Leuten, die nur die Anfangsgrün de der Musik beherrschten.“
    „Das stimmt“, erwiderte ich, „für die meisten von uns gab es nur solche Musik oder gar keine Musik.“
    „Ach ja!“ seufzte Edith, „wenn man es sich recht überlegt, so ist es gar nicht sonderbar, daß Ihre Zeitgenossen im allgemeinen kein großes Interesse für Musik hatten. Ich muß sagen, solche Musik wäre mir auch greulich gewesen.“
    „Habe ich Sie recht verstanden“, fragte ich, „daß dieses Musikprogramm für alle vierundzwanzig Stunden des Tages gilt? Nach dieser Karte scheint es tatsächlich so. Wer aber wird denn zum Beispiel zwischen Mitternacht und Morgen Musik hören?“
    „O viele“, versetzte Edith. „Wir benutzen die Einrichtung zu jeder Stunde. Aber würde die Musik von Mitternacht bis Morgen sonst niemand erwünscht sein, so wäre sie doch Schlaflosen, Kranken und Sterbenden ein Genuß. Alle unsere Schlafzimmer sind am Kopfende des Bettes mit einem Telephon versehen, das jedem Schlaflosen ermöglicht, nach Belieben die Musik zu hören, die seine Stimmung verlangt.“
    „Befindet sich diese Einrichtung auch in meinem Zimmer?“ fragte ich.
    „Ja gewiß. Ach, wie gedankenlos, wie sehr gedankenlos von mir, daß ich Ihnen dies nicht schon gestern abend sagte! Ehe Sie sich heute zur Ruhe begeben, wird mein Vater Sie mit der Einrichtung bekannt machen. Ich bin fest überzeugt, daß Sie, sollten die unheimlichen Gefühle wirklich wiederkommen und Sie quälen, allen Spuk verscheuchen können, wenn Sie den Schalltrichter öffnen.“
    Abends erkundigte sich Doktor Leete nach unserem Besuch im Warenhaus. Nach einem flüchtigen Vergleich zwischen den Verhältnissen des neunzehnten und denen des zwanzigsten Jahrhunderts kamen wir zufällig auch auf die Erbschaftsfrage.
    „Ich vermute“, sagte ich, „daß es nicht mehr gestattet ist, Eigentum zu vererben.“
    „Im Gegenteil“, erwiderte Doktor Leete, „dem steht nichts im Wege. Wenn Sie uns erst näher kennenlernen, Herr West, so werden Sie ganz gewiß finden, daß die persönliche Freiheit heutzutage weit weniger beschränkt ist als zu Ihrer Zeit. Unser Gesetz schreibt allerdings vor, daß

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