Ein Rückblick aus dem Jahr 2000
billigen Preisen in öffentlichen Waschanstalten besorgt, und öffentliche Küchen bereiten unsere Mahlzeiten. Unsere gesamte Leibwäsche und Kleidung wird in öffentlichen Werkstätten hergestellt und ausgebessert. Die Heizung und Beleuchtung geschieht durch Elektrizität. Wir bewohnen Häuser, die nicht größer sind, als notwendig ist; wir möblieren sie so, daß es nur geringe Mühe kostet, sie in Ordnung zu halten. Wir bedürfen also keiner Dienstboten.“
„Weil Ihnen die ärmeren Klassen ein unbeschränktes Angebot von Leibeigenen lieferten, denen Sie alle schweren und lästigen Arbeiten aufbürden konnten“, sagte Doktor Leete, „so kümmerten Sie sich nicht um Erfindungen, die die Notwendigkeit beseitigt hätten, Dienstboten zu halten. Jetzt müssen wir alle der Reihe nach jede gesellschaftlich notwendige Arbeit verrichten. Da hat auch jeder einzelne in der Gesellschaft das nämliche, und zwar ganz persönliche Interesse daran, Mittel und Wege ausfindig zu machen, die Arbeitslast zu erleichtern. Dieser Umstand hat einen mächtigen Anstoß zu Erfindungen gegeben, die in allen Zweigen menschlicher Tätigkeit Arbeit ersparen. Eines der ersten Ergebnisse davon war, in der Häuslichkeit die größte Behaglichkeit mit so wenig Arbeit wie möglich zu schaffen.“
„Natürlich können Fälle eintreten, in denen unser Hauswesen außergewöhnliche Arbeit fordert“, fuhr Doktor Leete fort. „So zum Beispiel bei einer allgemeinen Reinigung, bei großen Reparaturen oder auch bei Krankheit. Aber dann können wir jederzeit die nötige Hilfe aus dem Heer der arbeitspflichtigen Bürger erhalten.“
„Allein, wie entschädigen Sie diese für ihre Arbeit, da sie doch kein Geld haben?“
„Selbstverständlich bezahlen wir diese Hilfskräfte nicht persönlich, wir zahlen für sie an die Nation. Brauchen wir ihre Dienste, so wenden wir uns an ein eigenes Büro, und der Wert ihrer Leistungen wird auf unserer Kreditkarte vermerkt.“
„Welch ein Paradies für die Frauen muß die Welt jetzt sein!“ rief ich aus. „Von den Haushaltungssorgen waren zu meiner Zeit nicht einmal reiche Damen befreit, die über eine zahlreiche Dienerschaft verfügten. Was die Frauen der bloß wohlhabenden oder gar der ärmeren Klassen anbelangt, so lebten und starben sie als Märtyrerinnen dafür.“
„Ja“, sagte Frau Leete, „was ich darüber gelesen habe, hat mich davon überzeugt, daß in Ihrer Zeit die Männer – mochten sie auch noch so übel dran sein – doch immerhin bei weitem glücklicher waren als ihre Mütter und Frauen.“
„Die breiten Schultern der Nation“, sagte Doktor Leete, „tragen jetzt federleicht an der Last, die die Frauen damals zu Boden drückte. Ihr Elend, wie überhaupt das ganze soziale Elend Ihrer Zeit, entsprang aus dem Unvermögen, ein planmäßiges Zusammenwirken aller gesellschaftlichen Kräfte durchzuführen. Es war dies eine Folge des Individualismus, auf dem Ihre Gesellschaftsordnung beruhte, des Individualismus, der nicht begreifen wollte, daß jeder einzelne einen zehnmal größeren Nutzen von seinen Mitmenschen hat, wenn er sich mit ihnen vereinigt, als wenn er mit ihnen kämpft. Wahrhaftig, man darf sich nicht wundern, daß Ihre Zeitgenossen nicht angenehmer lebten! Erstaunlich ist nur, daß sie es überhaupt fertigbrachten, zusammenzuleben. Ging doch jeder eingestandenermaßen darauf aus, den Nächsten zu knechten und seiner Güter zu berauben.“
„Vater, Vater, wenn du so heftig wirst, wird Herr West meinen, du schiltst ihn aus“, rief Edith lachend dazwischen.
„Wenn jemand bei Ihnen einen Arzt nötig hat“, frag te ich, „wendet er sich dann einfach an das bestimmte Büro und läßt sich von dem ersten besten behandeln, der ihm geschickt wird?“
„Das wäre kaum empfehlenswert“, gab Doktor Lee te zur Antwort. „Der Erfolg des Arztes hängt zum großen Teil davon ab, daß er die Konstitution des Patienten genau kennt und die damit zusammenhängenden Eigentümlichkeiten. Wie zu Ihrer Zeit muß es deshalb dem Kranken freistehen, einen bestimmten Arzt rufen zu lassen. Der einzige Unterschied zwischen einst und jetzt besteht darin, daß der Arzt sein Honorar nicht persönlich für sich, sondern für die Nation erhebt. Nach einer ärztlichen Taxe notiert er den Betrag auf der Kreditkarte des Patienten.“
„Wenn das Honorar stets gleich hoch ist und der Arzt, wie ich vermute, keinem Patienten seine Hilfe versagen darf“, sagte ich, „so haben die guten Ärzte sicherlich
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