Ein Rückblick aus dem Jahr 2000
ungemein viel zu tun, während die schlechten ohne Praxis bleiben.“
„Zuerst entschuldigen Sie diese scheinbare Eitelkeit in dem Munde eines ehemaligen Arztes“, erwiderte Doktor Leete lächelnd, „es gibt bei uns gar keine schlechten Ärzte. Jetzt darf nicht mehr wie zu Ihrer Zeit jeder, dem es einfällt, ein paar medizinische Floskeln auswendig zu lernen, die Menschen als Versuchsobjekte betrachten. Es dürfen nur die Studierenden praktizieren, die die strengen Staatsprüfungen bestanden und ihre Befähigung für den ärztlichen Beruf zweifelsfrei bewiesen haben. Weiter müssen Sie festhalten, daß heutzutage kein Arzt danach trachtet, seine Praxis auf Kosten seiner Kollegen auszudehnen. Es ist auch nicht ein Grund dafür da. Schließlich müssen die Ärzte über ihre Tätigkeit regelmäßig an die Medizinalbehörde Bericht erstatten, und wenn sie nicht genügend beschäftigt sind, so wird ihnen Arbeit zugewiesen.“
12. Kapitel
Ansporn zur Arbeit und Behandlung der Arbeitsunfähigen
Unendlich, wie Doktor Leetes Güte, waren die Fragen, die ich zu stellen hatte, ehe ich auch nur einen oberflächlichen Einblick in die Einrichtungen des zwanzigsten Jahrhunderts erlangen konnte. Nachdem die Damen sich zurückgezogen hatten, blieben wir darum noch mehrere Stunden plaudernd beisammen. Ich rief meinem Wirt den Punkt ins Gedächtnis zurück, bei dem unser Gespräch am Morgen abgebrochen worden war. Ich äußerte meinen Wunsch nach Aufschluß darüber, wie die Arbeit organisiert sei, damit auch jetzt der Eifer des Arbeiters angefeuert werde, wo doch jede Sorge um seinen Lebensunterhalt wegfalle.
„Sie müssen zunächst wissen“, erwiderte der Dok tor, „daß die Organisati on unseres Arbeitsheeres nicht bloß den einen Zweck verfolgt, die Bürger durch besondere Beweggründe zu angestrengter Tätigkeit anzueifern. Ebenso wichtig ist ihr der andere Zweck: die niederen und höheren Offiziersstellen der Arbeitsarmee sowie alle hohen nationalen Ämter mit Männern von erprobter Tüchtigkeit zu besetzen, mit Persönlichkeiten, die im Bewußtsein ihrer Vertrauensstellung die ihnen Unterstehenden zu den höchstmöglichen Leistungen anhalten und keine Lässigkeit dulden. Alle arbeitspflichtigen Bürger sind im Hinblick auf diese beiden Ziele in vier große Klassen eingeteilt. Die erste Klasse umschließt die ungelernten Arbeiter, ihnen liegen allerhand Verrichtungen meist gröberer Natur ob. Alle Arbeitsrekruten werden in den ersten drei Jahren ihrer Dienstpflicht dieser Klasse eingereiht. Nachdem sie aus ihr in die nächsthöhere Klasse aufgestiegen sind, heißen sie mindestens ein Jahr lang ‚Lehrlinge’, weil sie sich in der Zeit die Elementarkenntnisse ihres erwählten Berufes aneignen. Die dritte Klasse stellt das Korps der eigentlichen Vollarbeiter dar, das aus Leuten im Alter zwischen fünfundzwanzig und fünfundvierzig Jahren besteht. Die vierte Klasse wird durch die Offizier gebildet, vom niedrigsten an bis zum höchsten hinauf. Jede dieser vier Klassen untersteht einer besonderen Disziplin. Die Klasse der ungelernten Arbeiter wird als eine Art Schule betrachtet, und zwar als eine sehr strenge Schule. Hier werden die jungen Leute an Gehorsam, Unterordnung und Pflichtgefühl gewöhnt. Die Verschiedenartigkeit der Arbeiten, denen sie sich zu unterziehen haben, erlaubt kein regelmäßiges Emporsteigen zu höheren Unterabteilungen, wie dies innerhalb der übrigen Klassen möglich ist. Trotzdem wird aber über die Leistungen jedes einzelnen Buch geführt, die Tüchtigkeit erhält ihre Auszeichnung, die Lässigkeit findet ihre Strafe. Wir halten es jedoch nicht für ratsam, die künftige Laufbahn junger Leute ungünstig zu beeinflussen, wenn sie sich in jugendlicher Sorglosigkeit und Unbesonnenheit leichte Fehler zuschulden kommen lassen. Alle Bürger sind berechtigt, den Lebensberuf zu wählen, für den sie die stärkste Neigung empfinden, nachdem sie erst die Klasse der ungelernten Arbeiter durchlaufen haben, ohne daß sie sich eines schwerwiegenden Vergehens schuldig machten. Haben sie ihre Entscheidung getroffen, so beginnt ihre Lehrzeit in dem Beruf. Die Länge ist natürlich für die verschiedenen Zweige menschlicher Tätigkeit eine verschiedene. Nach Ablauf der Lehrzeit wird der Lehrling zum Vollarbeiter und selbständigen Mitglied seines Berufs. Über die Leistungen jedes Lehrlings wird ein besonderes Buch geführt; hier werden Begabung, Geschick und Fleiß genau vermerkt, ungewöhnliche
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