Ein Rückblick aus dem Jahr 2000
kommt dann doppelt so hoch zu stehen als in einem Gewerbe, in dem die Arbeiter täglich acht Stunden schaffen. Die Kosten laufen also auf das gleiche hinaus, wie wenn unter Ihrer Wirtschaftsordnung dem Manne der doppel te Lohn gezahlt worden wäre, den andere Arbeiter erhielten. Berechnet man sämtliche Arbeitsleistungen, die zur Erzeugung eines Guts erforderlich sind, nach dem nämlichen Grundsatz, so erhält man den relativen Preis, das heißt den Preis eines Produktes im Verhältnis zu anderen Produkten. Bei etlichen Gütern ist für die Preisbildung außer den Produktions- und Transportkosten auch die Seltenheit der verarbeiteten Stoffe ausschlaggebend. Diese kann natürlich bei der Herstellung der großen Massengüter keine Rolle spielen, die für den Unterhalt der Gesamtheit nötig sind. Ihre Produktion in überreichlicher Menge ist jederzeit gesichert. Man speichert große Vorräte davon auf, aus denen die Schwankungen ausgeglichen werden, die durch steigenden Bedarf, sinkende Produktivität, ja sogar durch Mißernten entstehen könnten. Die Preise der Massenartikel sinken jedes Jahr; nur selten, wenn überhaupt je, steigen sie. Dagegen gibt es auch Güter, bei denen der Bedarf dauernd, und solche, bei denen er zeitweilig nicht völlig gedeckt werden kann. Zu der letzteren Art gehören zum Beispiel frische Fische und die Erzeugnisse der Milchwirtschaft, zu der anderen Gegenstände, deren Erzeugung eine hohe Kunstfertigkeit oder besonders seltene Rohmaterialien erfordert. Man tut in dieser Beziehung, was man kann: man sucht Unzulänglichkeiten möglichst auszugleichen, die aus der Knappheit der Dinge entstehen. Zu diesem Zwecke erhöht man ihre Preise, und zwar nur zeitweise, wenn es sich um Produkte handelt, die nur zeitweise knapp sind, dagegen für die Dauer bei Gegenständen, die ihrer Seltenheit wegen überhaupt jederzeit nur in kleinen Mengen beschafft werden können. Zu Ihrer Zeit bedeuteten hohe Preise, daß nur der Reiche sich den Genuß kostspieliger Dinge erlauben konnte; heutzutage jedoch, wo alle Bürger der Nation über die gleichen Mittel verfü gen, bewirken sie nur eines: daß die teuren Gegenstän de ausschließlich von Leuten gekauft werden, die tatsächlich den dringenden Wunsch nach ihnen haben. Wie jeder Geschäftsmann, so findet sich natürlich auch die Nation dann und wann mit Vorratsresten belastet, die sie nicht absetzen kann, weil sie durch den Wechsel der Mode, den Einfluß der Witterung oder sonstige Ursachen verloren haben. Wie dies zu Ihrer Zeit Geschäftsbrauch war, so müssen dann solche Vorräte mit Verlust verkauft werden, und der Ausfall wird zu den Geschäftsunkosten gerechnet. In der Regel fällt es jedoch nicht schwer, derartige Waren mit geringer Einbuße abzusetzen, weil sie vielen Abnehmern gleichzeitig angeboten werden können. – Ich habe Ihnen nun einen allgemeinen Überblick über unsere Organisation der Produktion und der Verteilung aller Güter gegeben. Finden Sie diese Regelung noch so kompliziert, wie Sie sich vorgestellt hatten?“
Ich gab zu, daß nichts einfacher sein könne.
„Ich behaupte gewiß nicht mehr, als was wahr ist“, bemerkte Doktor Leete, „wenn ich dieses sage: Der Leiter irgendeiner der Myriaden Privatunternehmungen Ihrer Zeit hatte eine bei weitem schwierigere Aufgabe als die Männer in Washington, die gegenwärtig der Produktion der gesamten Nation vorstehen. Die Schwankungen des Marktes, die Kniffe seiner Konkurrenten, die Zahlungsfähigkeit seiner Schuldner: alles das und vieles mehr mußte er mit einer Aufmerksamkeit verfolgen, die ihm die Nachtruhe raubte. Alles dies, mein verehrter Freund, beweist nur, daß Dinge weit leichter durchgeführt werden können, wenn man sie am rechten und nicht am verkehrten Ende anfaßt. Es ist leichter für einen General, von einem Luftballon aus bei vollständiger Übersicht über das Schlachtfeld eine Million Kämpfer zum Siege zu führen, als für ei nen Unteroffizier, mit seiner Kompanie in einem Dickicht zu manövrieren.“
„Der General Ihres Arbeitsheeres, das die Blüte der Nation umschließt, muß der erste Mann im Lande sein“, sagte ich. „Er muß in Wirklichkeit einflußreicher sein als der Präsident der Vereinigten Staaten.“
„Er selbst ist der Präsident der Vereinigten Staaten“, erwiderte Doktor Leete, „oder richtiger gesagt, die wichtigste Aufgabe des Präsidenten besteht gerade dar in, daß er die nationale Arbeitsarmee leitet.“
„Wie wird der Präsident gewählt?“
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