Ein Sarg für zwei
nicht so viel Kopfzerbrechen
bereitet hätte, wäre ich eigentlich besorgter um meinen Hals gewesen.
»Es ist
alles okay«, sagte er, obwohl es klang, als würde er mehr zu sich als zu mir
sprechen. Sein schwarzer Blick glitt von der Wunde in meiner Brust zu meinen
Augen. Er hatte die Stirn gerunzelt. »Ich werde schon nicht die Kontrolle
verlieren!«
George trat
neben mich und hielt meine Hand. Er strich behutsam die Haare zurück, die mir
in die Stirn gefallen waren.
»Halte
durch, Sarah«, sagte er. »Denk an etwas Schönes. Es ist wirklich keine große
Sache.«
Ich war
dabei gewesen, als George einmal gepfählt worden war, und hatte miterlebt, wie
er reagiert hatte, als ihm der Pflock entfernt wurde. Deshalb wusste ich, dass
das hier sehr wohl eine große Sache und er ein unverschämter Lügner war.
»Holt ihn
einfach raus«, sagte ich mit zusammengebissenen Zähnen.
Thierrys
Hände zitterten etwas, als er das Ende des Pflocks ergriff.
»Sei tapfer,
Liebes.« Dann zog er den Pflock mit einem Ruck aus meiner Brust.
Ich schrie.
Ich konnte nicht anders. Es fühlte sich an, als würde mein Innerstes nach außen
gestülpt und anschließend in Brand gesetzt. Der Pflock fiel polternd zu Boden,
und Thierry drückte die Hände auf die Wunde, um die Blutung zu stoppen.
»Messer!«,
knurrte er George zu.
George
zerrte seine Hand aus meinem festen Griff - vermutlich hatte ich ihm sämtliche
Finger gebrochen - und eilte zu Thierrys Schreibtisch, um das Messer aus der
Schublade zu holen. Er kam zurück und gab es Thierry.
»Drück auf
die Wunde«, sagte Thierry. George war sehr gut darin, in schwierigen
Situationen Anweisungen kommentarlos auszuführen, und tat wie befohlen.
Thierry zog
das Messer über seinen linken Unterarm, und hielt dann die klaffende und
blutende Wunde an meinen Mund.
Das Blut von
einem Meistervampir. Voller Kraft und Intensität - wie ein guter alter Cognac,
der das Blut eines Durchschnittsvampirs anregte und kräftigte. Genau deshalb
hatte Josh von mir gezeugt werden wollen. Weil ich die Kraft von Thierrys und
Nicolais Blut in mir trug.
Aber nein.
Es ergab keinen Sinn. Ich fühlte mich überhaupt nicht anders als früher. Josh
hatte sich getäuscht. Dieser Bastard hatte einen schrecklichen Fehler gemacht
und mich anschließend ungerührt erstochen.
Verdammt,
vielleicht hätte ich ja sagen sollen. Statt mich mit einer üblen Stichwunde
herumzuschlagen, hätte ich jetzt zwei Riesen in der Tasche.
Ich
unterdrückte den Tumult in meinem Kopf und trank.
Blut. Ja
klar war es eklig, jedenfalls in der Theorie. Als Mensch fand ich schon die
Vorstellung, Blut zu trinken, absolut und unfassbar widerlich, ganz zu
schweigen davon, dass es unhygienisch war. In der Wirklichkeit jedoch gab es
kein einfaches Schwarz oder Weiß, Richtig oder Falsch.
Mittlerweile
hatte ich sämtliche Grautöne kennengelernt. Und Thierry schmeckte selbst in
einer schrecklichen Situation wie dieser wirklich ausgezeichnet. Ich wusste,
dass mir sein Blut half, schneller gesund zu werden, und es sogar den Schmerz
lindern würde. Unsere Blicke trafen sich. Er starrte auf mich hinunter. Seine
Augen waren immer noch komplett schwarz und strahlten etwas ziemlich Gieriges
aus. Mit seiner freien Hand strich er mir die Haare aus dem Gesicht.
»Sarah...«,
sagte er sanft. »Das sollte genügen.«
»Okay«,
raunte ich schmatzend und ließ Thierrys Arm widerwillig los.
»Ich brauche
dringend etwas zu trinken!«, hauchte George mit bebender Stimme. »Und das nicht
nur weil ich seit fünf Minuten deine Brust festhalte.«
»Komm ja
nicht auf dumme Gedanken, Georgie-Boy.« Ich lachte, aber es tat weh. »Au.«
»Keine Sorge«,
erklärte er. »Du gehörst immer noch nicht zu meinem bevorzugten Geschlecht.«
Thierry
erhob sich von der Sofakante und rollte seinen Ärmel herunter, doch erst,
nachdem ich einen Blick auf den Messerschnitt erhascht hatte. Die Wunde begann
bereits zu verheilen. »Sarah, George hilft dir, dich zu reinigen. Auf einem
Bügel hinter der Tür hängt ein frisches Hemd. Das kannst du anziehen.«
»Ich?«
George deutete auf seine Brust. »Du willst, dass ich sie wasche...?«
Thierry riss
seinen immer noch schwarzen Blick von mir los und verließ fluchtartig sein
Büro.
George
richtete seinen Blick auf mich. »Na, wie fühlst du dich, du kleines sexy Ding,
hm? Wie ein getränkter Schwamm, was?«
Nachdem
George mich gewaschen und verbunden hatte, schlief ich ein und hatte einen
dieser hellseherischen Träume.
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