Ein Sarg für zwei
ein anderer Tag. Mein erster Tag als Vampir und ohne Thierry.
Verdammt. Mir kamen schon wieder die Tränen.
INTERMEZZO
Toronto, Ontario - Gegenwart
Thierry
beobachtete schweigend, wie Sarah das Büro verließ.
Sie hatte
ihn verlassen. Bei dem Gedanken schnürte sich ihm der Hals zu. Er hatte immer
gewusst, dass das eines Tages passieren würde. Dass sie erkannte, wie er
wirklich war, und ihm für immer den Rücken zudrehte. Ihm war jedoch nicht klar
gewesen, wie sehr ihn das schmerzte.
Einen
hoffnungsvollen Moment hatte er geglaubt, sie wäre anders. Dass sie vielleicht
am Ende nicht gehen würde. Dass sie vielleicht jemand wäre, dem er nach so
langer Zeit endlich sein Herz öffnen könnte.
Dass die
Wahrsagerin damals vielleicht doch recht gehabt hatte.
Sarah Dearly
war so absolut nicht die Richtige für ihn. So anders. So jung und süß.
Er war
überrascht gewesen, so grausame Dinge aus ihrem wunderschönen Mund zu hören,
obwohl er zugeben musste, dass ein Großteil davon stimmte und gesagt werden
musste. Eventuell hätte er versuchen sollen, sich zu verteidigen. Aber wozu? Er
hatte sie verletzt. Das war die Wahrheit. Seine Finanzen waren tatsächlich
zusammengeschmolzen, wenn auch nicht annähernd so, wie sie es vermutete. Seine
sture Frau, von der er getrennt war, die ihr eigenes Leben auf einem anderen
Kontinent führte, weigerte sich, ihm die Freiheit zu lassen, sich wirklich zu
seiner neuen Beziehung zu bekennen.
Das alles
war richtig. Das alles waren ausreichende Gründe für harsche Worte.
Er lehnte
sich in seinem Ledersessel hinter dem Schreibtisch zurück, der ab morgen nicht
länger ihm gehören würde.
Sarah hatte
oft behauptet, dass sie gerne einmal Schauspielerin hätte werden wollen, dass
es aber leider nicht geklappt hätte. Er hatte sich immer gefragt, warum.
Jetzt wusste
er es.
Sarah Dearly
war eine grauenhafte Schauspielerin.
Sie war
furchtbar.
Absolut und
in jeder Beziehung total unbegabt und fürchterlich.
Sie hatte
ihm eben eine Szene vorgespielt. Vollkommen schamlos.
Anstatt
wütend auf sie zu sein, fühlte er sich durch diese Erkenntnis so glücklich wie
seit Jahrhunderten nicht mehr, wenn er überhaupt jemals so glücklich gewesen
war.
Sie
liebte ihn. Das war das Einzige in seinem langen, schwierigen Leben, woran
er nicht den geringsten Zweifel hegte. Sein Geld bedeutete ihr gar nichts. Wenn
doch, hätte sie seine wiederholten Angebote akzeptiert, sein Geld genommen und
um mehr gebeten.
Er liebte
sie so sehr, dass es ihm wehtat.
Mit ihr
schien auf einmal jeder Tag ein Geschenk zu sein, kein Fluch. Bevor er ihr
begegnet war, hatte er geglaubt, dass er keinen Grund mehr hatte weiterzuleben.
Jetzt wusste er, dass er sich geirrt hatte. Jetzt lebte er für sie und für die
Aussicht auf eine gemeinsame Zukunft.
Das war ganz
klar.
Ebenso klar
war, dass jemand sie zu ihrem Verhalten genötigt hatte. Dass jemand sie
gezwungen hatte, sich offiziell von ihm zu trennen. Er runzelte die Stirn.
Veronique
konnte es nicht gewesen sein. Dessen war er sich ebenfalls sicher. Veronique
hatte viele Fehler, aber sie war nicht wirklich böse.
Nein, es
musste etwas passiert sein, das Sarah solche Angst machte, dass sie sich
entschieden hatte, ihn anzulügen. Er hatte schon überlegt, sie während ihrer
Tirade darauf anzusprechen, hatte sich jedoch dagegen entschieden.
Irgendetwas
war passiert. Hier hatte irgendjemand seine Finger im Spiel, und Thierry hätte
wetten können, dass es dieser falsche Rote Teufel war.
Er hatte
Sarah bedroht. Das war die offensichtliche Antwort. Und sie hatte Angst vor
ihm.
Der Gedanke
machte ihn wütend. Wer auch immer der Verantwortliche war, sein Verhalten würde
ihm sehr bald leidtun.
Er nahm den
Verlobungsring vom Schreibtisch und steckte ihn in die Tasche seines Jacketts.
Sarah hatte
ihm erklärt, dass sie ihn nicht liebte. Dass es zwischen ihnen ein für alle Mal
aus war.
Er hatte
sich einst gewünscht, dass sie ihn verlassen und nicht zurückblicken würde.
Noch vor kurzer Zeit hätte er nicht um sie gekämpft, nicht um ihre Beziehung
und nicht um die gemeinsame Zukunft. Doch das war, bevor er begriffen hatte,
wie sehr er sie liebte.
Ein kleines
entschlossenes Grinsen erschien auf Thierrys Gesicht.
Er war dank
Sarah ein völlig anderer.
21
Wie ist es
gelaufen, Sarah?«
Ich
erschrak, als ich Gideons leise Stimme in der Gasse vor dem Haven hörte, und
drehte mich zu ihm um. Ich erwartete, dass er mich angrinste oder beim Anblick
meiner
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