Ein Sarg für zwei
zu sehen, Stacy. Ich gehe jetzt wieder tanzen.«
Sie
blinzelte langsam. »Willst du dir nicht erst die Hände waschen?«
Ich zögerte
und warf einen kurzen Blick auf die Spiegel über den Waschbecken. »Klar.
Natürlich. Nur habe ich ein kleines Problem mit öffentlichen Waschräumen. Ich
glaube, der Fachbegriff lautet: ›Dreckige-Waschbecken-Phobie‹. Mein Freund hat
immer eine Flasche Desinfektionsspray dabei. Er hat eine geradezu panische
Phobie vor Bakterien.«
»Dein Freund
Thierry«, stellte Stacy fest.
»Genau der.«
»Er ist sehr
attraktiv.«
»Danke.
Finde ich ebenfalls.«
»Wie alt ist
er denn? Sechs- oder siebenhundert Jahre?« Sie musterte mich gelassen.
Meine Kehle
war wie zugeschnürt. »Er ist gerade sechsunddreißig geworden. Er ist
Wassermann.«
Ihr kühles
Lächeln verstärkte sich. »Na klar.«
Ich runzelte
die Stirn. »Weißt du, ich will dir nichts vormachen. Ich kann mich eigentlich
überhaupt nicht an dich erinnern. Bist du sicher, dass wir im selben Jahrgang
waren?«
Sie nickte.
»O ja. Stell dir vor, ich hätte hundert Pfund mehr auf den Rippen, eine Brille
auf der Nase und braune, glanzlose Haare.«
Verdammt.
Ich konnte mich immer noch nicht an sie erinnern. Nicht mal, wenn mein Leben
davon abgehangen hätte. Doch was sie über Thierry gesagt hatte, hatte mich in
Alarmbereitschaft versetzt. Was wollte sie von mir?
Obwohl,
eigentlich spielte das keine Rolle. Ich wollte es gar nicht wissen.
»Ich gehe
dann mal zurück in die Turnhalle.« Ich trat auf die Tür zu.
Stacy
stellte sich mir in den Weg. »Nicht so schnell, Sarah.«
»Was ... was
willst du?«
»Nur mit dir
reden.«
»Worüber?«
Sie trat
noch einen Schritt näher auf mich zu. »Zum Beispiel darüber, dass du ein Vampir
bist.«
Mein Mund
war wie ausgetrocknet. »So etwas wie Vampire gibt es nicht.«
Sie verzog
spöttisch ihre dunkelroten Lippen. »Hast du mit diesem Satz schon häufiger
Erfolg gehabt? Oder ahnen die meisten Leute nicht einmal, was du wirklich bist?
Nun, ich glaube, ich bin da ein bisschen anders.«
Ich konnte
ihr Parfüm riechen. Sie war von einer Wolke »Obsession« von Calvin Klein
umgeben.
»Was willst
du von mir, Stacy? «
Sie lächelte
immer noch. »Das habe ich doch schon gesagt. Ich möchte nur reden.«
Ich kniff
die Augen zusammen. »Okay, dann schieß los. Ich will nicht unhöflich sein, aber
vielleicht kannst du es kurz machen.«
»Wieso? Hast
du es eilig?«
»Es wird
nicht allzu lange dauern, bis jemand hier hereinplatzt. Dann dürfte unsere
kleine Unterhaltung abrupt unterbrochen werden.«
»Ach, das
wird ein bisschen dauern. Vertrau mir, Sarah. Bis ich es mir anders überlege,
wird niemand auf die Toilette müssen. Wir sind ganz ungestört.«
Ich runzelte
die Stirn. »Was meinst du damit?«
»Ein
bisschen Magie, ein kleiner Abriegelungszauber, mehr war nicht nötig.«
»Magie?«
Stacy
nickte. »Die Magie, die ich gern in der Schulzeit beherrscht hätte, als ich
noch eine absolute Verliererin war und von allen gehänselt wurde.«
Was soll’s?, dachte ich, trat an ein Becken und wusch mir die Hände. Stacy zuckte nicht mit
der Wimper, als der Spiegel kein Bild von mir zeigte. »In der Schulzeit war
jeder einmal ein Verlierer«, sagte ich. »Alle wurden irgendwann gehänselt. Ich
inklusive.«
Stacy lehnte
lässig an der grün gefliesten Wand, blickte in den leeren Spiegel und dann zu
mir. »Daran erinnerst du dich?«
Ich dachte
darüber nach. Ja, die Schule hatte ihre guten Seiten, aber sie hatte auch
reichlich viele schlechte Seiten gehabt. So war das eben auf der Highschool.
Deshalb war es gut, dass sie nur vier Jahre dauerte.
»Ich
erinnere mich noch sehr genau an meinen Versuch, in die Cheerleader-Gruppe
aufgenommen zu werden«, fuhr Stacy fort. »Aber man hat mich ausgelacht und aus
der Halle geworfen. Dabei war an meiner Vorführung überhaupt nichts
auszusetzen. Ich war halt nur zu dick.«
Ich war in
der Cheerleader-Gruppe und erinnerte mich lebhaft, dass zwei dickere Mädchen
mit mir in der Gruppe waren. Also täuschte sie sich. Es dürfte weniger an ihrem
Gewicht als an ihrer Vorstellung, Haltung und Persönlichkeit gelegen haben. Und
wenn der heutige Auftritt typisch für sie war, konnte ich mir ungefähr
vorstellen, warum man sie nicht in die Gruppe aufgenommen hatte.
»Es tut mir
leid, dass du eine schlechte Erfahrung gemacht hast«, sagte ich.
»Eine
schlechte Erfahrung?« Ihre Augen blitzten boshaft auf. »Eine schlechte Erfahrung? Oh, es war mehr als
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