Ein Sarg für zwei
Moment, dann hefteten sich seine Augen auf Amy. »Bist du
sicher, dass es der richtige Laden ist?«
Sie nickte
und klimperte mit den Wimpern. »Ja«, hauchte sie hingerissen.
Er musterte
sie noch eine Weile mit seiner undurchdringlichen Miene. »George kommt mit. Er
hat ein gewisses Talent, das uns von Nutzen sein könnte, wenn ich den Besitzer
nicht persönlich erreiche.«
Ich hob
fragend die Brauen. »Ich wusste gar nicht, dass eine Neigung zu engen
Lederhosen in einer solchen Situation von Vorteil sein kann.«
»Das meine
ich nicht. George ist darüber hinaus sehr geschickt im Öffnen von Schlössern.«
Das war mal
eine Neuigkeit. »Man lernt doch nie aus. Ich möchte gerne wissen, woher er das
kann.«
Thierry
grinste mich leicht amüsiert an. »Wir alle haben eine Vergangenheit und
verborgene Talente, Sarah. Ich bin sicher, du auch.«
»Ich kann
den Stängel einer Kirsche mit der Zunge zu einem Knoten binden«, sagte Amy und
ließ ihren Blick anzüglich über Thierrys Körper gleiten. »Zählt das auch?«
Ich
versetzte ihr einen heftigen Klaps auf die Schulter. »Nicht in diesem Fall.«
Sie rieb
sich schmollend den Arm. »Aua.«
Nachdem
Thierry einen kurzen, mysteriösen Anruf getätigt hatte und ohne jemandem zu
sagen, wo wir hinfuhren, stiegen wir vier in Thierrys Wagen, der gerade erst
von zwei seiner Angestellten von dem verlängerten Aufenthalt auf dem
Motor-Inn-Parkplatz von Abottsville zurückgekehrt war. Dann brachen wir zu
einer mitternächtlichen Pfandleihtour auf, um meinen Plan B zu retten.
14
»Sie
kommen mit Gold, Sie gehen mit Geld« lag nur zehn Minuten mit dem Auto vom
Haven entfernt und hatte geschlossen. Das war allerdings nicht weiter überraschend,
denn schließlich war es bereits nach Mitternacht.
George
schien die Aussicht auf einen nächtlichen Einbruch zu gefallen, und ich wusste
nicht so genau, wie ich das finden sollte.
»Ich bin
ziemlich aufgeregt«, verkündete er, als er ein Etui aus seinem
Herren-Handgelenktäschchen zog, das wie ein Maniküre-Set aussah. Er öffnete den
Reißverschluss, klappte das Etui auf und enthüllte mehrere längliche
Metallstiele unterschiedlicher Länge und Breite.
»Was ist das
denn?«, fragte ich. »Ich hatte keine Ahnung, dass du so etwas kannst.«
»Darüber
spricht man ja auch nicht gleich mit jedem. Da ich dich aber nun kenne, darf
ich dir wohl die Wahrheit verraten. Ich war in den fünfziger Jahren ein
weltberühmter Einbrecher. Ein Fassadenkletterer.«
Ich war
schockiert. »Tatsächlich?«
»Also gut,
eigentlich war ich nur der Assistent eines weltberühmten Fassadenkletterers.
Mist, ich kann einfach nicht gut lügen. Ich habe das Telefon bedient und, wenn
es nötig war, eine Kaution besorgt, um ihn aus dem Gefängnis zu holen. Aber er
hat mir eine Menge beigebracht.« Er zwinkerte. »Pierre lebt jetzt auf Tahiti
und sammelt vor allem hübsche Jungs. Aber das spielt keine Rolle mehr. Er
gehört zu meiner Vergangenheit, und ich bin darüber weg.«
Ich hätte
ihn gern getröstet, aber ich war momentan zu gestresst. Ich wollte nur diese
Kette haben und dann so schnell wie möglich hier verschwinden. »Fangen wir an.«
»Dein
Einsatz wird nicht nötig sein, George«, meinte Thierry, beugte sich an mir
vorbei und drückte einen Summer neben der Tür.
»Was machst
du da?«, fragte ich.
»Ich habe
den Eigentümer des Pfandhauses angerufen. Er hat sich bereit erklärt, sein
Geschäft für uns zu öffnen.«
Nach einer
Minute flammten die Lichter im Geschäft auf, und jemand kam an die Tür.
George
schmollte. »Wieso bin ich dann überhaupt hier?«
»Tut mir
leid, George. Vielleicht klappt es ja ein anderes Mal«, tröstete Thierry ihn.
George schob
das Dietrichset zurück in die Handtasche. »Das enttäuscht mich jetzt aber
wirklich unendlich. Übrigens ein Gefühl, das ich in letzter Zeit häufiger
empfinde.«
Der Mann in
dem Laden trug einen bunt gemusterten Bademantel und sah ziemlich verschlafen
aus. Sein Gesicht war aufgequollen, und er rieb sich die kleinen Augen in dem
grellen Licht der Neonlampen. Sein Haaransatz war so weit zurückgewichen, dass
man Angst haben musste, er würde ihm in den Nacken rutschen. Er blinzelte, als
er uns vor dem Eingang stehen sah, öffnete etliche Schlösser und zog die Tür
auf.
Jetzt
erkannte ich den Mann auch. Ich hatte ihn in einer Werbesendung gesehen. Sein
Name war Hans Christie, und er hatte im Fernsehen eine derart beeindruckende
Ausstrahlung, dass ich am liebsten auf der Stelle all
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