Ein schicksalhafter Sommer
modernen Maschinen steht auf dem Nessel-Hof, wie sie auf allen anderen Höfen der Umgebung schon fleißig angeschafft wurden. Und die Bauern untereinander helfen sich dann gegenseitig mit den Maschinen aus. Außer dem Papa. Der hat nämlich nichts, was er denen im Austausch anbieten könnte. Georg sagt, durch Papas Misswirtschaft steht der Hof jetzt vor dem Ruin.“
Katrin hatte ruhig zugehört, doch bei den letzten Worten fasste sie ihre Schwester am Arm und drehte sie zu sich. „Wie kannst du Papa dafür verantwortlich machen? Er arbeitet sich noch zu Tode.“
„Ja, und warum?“ , Sofia schüttelte die Hand ihrer Schwester ab. „Weil er stur ist und sich gegen jede Veränderung sträubt. Georg sagt, die Leute schütteln schon seit Jahren ihre Köpfe über ihn. Seit Ewigkeiten geht es mit uns, nein, mit euch, bergab, und jetzt ist der Hof vollends runtergekommen.“
„Georg sagt, Georg sagt“, äffte Katrin ihre Schwester nach. Sie wusste, dass etwas Wahres dran war an dem, was Sofia sagte, doch dass es von Georg kam, ärgerte sie. „Seit wann versteht dein Georg denn etwas von der Landwirtschaft? Soviel ich weiß, steht der sich den ganzen Tag hinter der Ladentheke die kurzen Beine in den Bauch. Und wird dabei immer fetter, wenn ich das mal sagen darf.“
„Und trifft dabei auf eine Menge Leute, die alle dasselbe erzählen“, ergänzte Sofia und ignorierte die beleidigenden Worte ihrer Schwester. „Nämlich, dass diesen Sommer das letzte Stündlein für den Nessel-Hof geschlagen hat.“ Sofia sah in das bewegte Gesicht ihrer Schwester und fuhr ruhiger fort : „Katrin, sieh es doch ein. Ich weiß, dass du immer direkt in die Luft gehst, wenn man etwas über Papa, Mama und den Hof sagt. Aber, auch wenn du sonst nicht auf den Kopf gefallen bist, wenn es um den Hof geht, kann man mit dir einfach nicht vernünftig reden. Es ist, als würdest du dann einfach weghören. Aber indem du die Augen zumachst, änderst du auch nichts an den Tatsachen.“ Sofia brachte es auf den Punkt. „Überleg doch mal eine Minute. Der Hof ist nicht mehr zu halten. Papa ist schwer krank, auch wenn er es nicht wahr haben will, und von Mamas Ratschlägen will er wie immer nichts wissen. Papa macht sich selbst was vor, wenn er denkt, er wird wieder richtig arbeiten können. Wie soll es denn weitergehen?“ Mitleidig lächelnd nahm sie ihren Weg wieder auf.
Katrin schluckte und schüttelte verzweifelt den Kopf. Tränen stiegen ihr in die Augen, und wütend wischte sie sie ab. Es musste einfach eine Lösung geben. Schnellen Schrittes versuchte sie ihre Schwester einzuholen. „Ich weiß ja, dass es stimmt, was du sagst, Sofia. Aber sieh mal, vielleicht jetzt, mit dem neuen Helfer auf dem Hof...“ Katrin klammerte sich an den letzten Strohhalm.
„Pfff, ja sicher, der Pennbruder ist die Rettung. Selbst wenn der als Arbeiter was taugen sollte, was ich bezweifle, was glaubst du denn, wie lange der hierbleibt? Ohne Bezahlung? Bis er sich satt gegessen hat. Und selbst wenn er länger bleibt, den ganzen Sommer über, was kommt denn danach? Nächstes Frühjahr, wer bestellt die Felder? Papa ist jetzt schon krank und selbst, wenn es ihm dann doch wieder besser gehen sollte, jünger wird er auch nicht. Und ich bin auch nicht mehr da. Ich hab zwar die letzten Wochen geholfen, wo ich konnte, aber ich hab mein eigenes Leben. Und das findet Gott sei Dank im Dorf statt.“
„Ja, alles was du sagst, ist ja richtig, Fia.“ Katrin rieb sich über die Arme. Ihr war kalt, trotz des heißen Wetters. „Ich finde den Gedanken nur so schrecklich.“
„Katrin, mir tut es ja auch leid für Mama und Papa. Aber du musst mal an dich denken. Du bist doch noch jung. Fang doch endlich an, dein eigenes Leben zu leben.“
„Mir gefällt nun mal die Arbeit auf dem Hof und die Tiere und das alles“, beharrte Katrin.
„Unsinn. Das sagst du nur, weil du nichts anderes kennst. Hör auf mich und suche dir einen Mann und lass es dir gut gehen. Sieh mich an. Der Georg ist zwar manchmal ein bisschen empfindlich, aber dafür hab ich Geld und bin gut angesehen. Und wenn ich im Laden helfen muss, bleib ich schön sauber, stink nicht nach Kuhmist und kann schöne Kleider anziehen. Du bist jetzt achtundzwanzig und wenn du dich nicht bald mal umsiehst, bleibst du als alte Jungfer sitzen, aber nicht auf dem Hof, der ist nämlich bis dahin weggepfändet.“
Nach diesen niederschmetternden Worten über eine ganz und gar nicht rosige Zukunft blieb nichts mehr zu
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