Ein schicksalhafter Sommer
und reizte ihn auch noch. Sie starrte weiterhin nach oben in sein Gesicht wie eine Maus auf die Katze und schluckte. „Gar nichts. Es tut mir leid. Ich muss jetzt gehen.“ Sie drehte sich um und wollte flüchten, doch er packte sie am Arm und hielt sie zurück.
„Warten Sie!“ Robert war in Panik. Sie hatte gesagt, er wäre verrückt. Und jetzt hatte sie Angst vor ihm. Jetzt würde sie nach Hause laufen und er könnte sich von seiner neuen Arbeit verabschieden. Er hatte so darauf geachtet, nur das Allernötigste zu sagen! Wodurch hatte er sich nur verraten, und was viel wichtiger war, wie konnte er sie beruhigen?
Er hielt sie weiterhin fest, doch als er sah, dass ihre Angst sich noch vergrößerte, ließ er ihren Arm wieder los. „Fräulein, es tut mir leid, wenn ich Sie erschreckt habe.“ Das hörte sich doch gut an, dachte er, doch als er sie dann abwartend ansah, bezweifelte er, dass sie seinen Worten Glauben schenkte.
„Schon gut. Mir tut es auch leid. Dass ich dich beleidigt habe, meine ich“, sagte sie nervös, während sie sich rückwärts von ihm entfernte.
Er setzte wieder zum Sprechen an, doch dann überlegte er es sich anders. Das würde nichts bringen, so wie sie ihn ansah. Nach ein paar weiteren Schritten drehte sie sich um und ging zügig davon. Einmal sah sie über die Schulter zurück, ehe sie im Wäldchen verschwand.
Robert sah ihr verzweifelt nach. Jetzt würde sie nach Hause rennen und ihrem Vater berichten, dass er sie angegriffen hatte. Warum war er auch so erschrocken herumgefahren? Es dämmerte ihm langsam, dass sie das mit dem Verrücktsein nur so dahingesagt hatte. Warum verlor er nur so leicht die Beherrschung? Er rieb sich mit den Händen über sein Gesicht und seufzte. Manchmal hatte er alles so satt.
Katrin zwang sich zur Ruhe und betrat die Küche. Ihre Mutter rührte geschäftig in ihrer Buttermilchsuppe.
„Wurde aber auch Zeit. Wo warst du denn so lange? Hast du alles bekommen?“
Katrin erschrak. Das Päckchen! Daran hatte sie gar nicht mehr gedacht. Sie musste es verloren haben. Unwillkürlich fasste sie sich an ihren rechten Oberarm. Was sollte sie sagen? Der neue Knecht hat mir einen Todesschrecken eingejagt und ich hab die Sachen fallenlassen?
„Wo ist denn Papa?“, fragte sie stattdessen erst einmal, um Zeit zu gewinnen.
„Er flickt das Zaumzeug für Bessi. Er ist vorhin vom Feld gekommen und hat gesagt, Kalter hätte ihn nach Hause geschickt.“ Ihre Mutter lachte . „Er hat wohl deinem Vater gesagt, das letzte Stück vom Kartoffelacker bekäme er heute auch alleine fertig, und ob der Papa nichts zu tun hätte, was er auch im Schatten verrichten könnte. Anmaßend, nicht wahr?“
„Allerdings“, brachte Katrin heraus.
„Aber er hat es ja nur gut gemeint“, beschwichtigte Luise ihre Tochter. „Und du kennst ja deinen Vater. Zuerst wollte er nichts davon wissen und hat Kalter tüchtig zurechtgewiesen. Aber als es ihm zu heiß wurde, hat er wohl eingesehen, dass er genauso gut etwas anderes erledigen könnte. Ich muss schon sagen, der Robert, der gefällt mir zwar nicht, aber ich bin froh, dass er da ist.“ Sie nickte zur Bekräftigung ihrer eigenen Worte und schüttete die Zuckererbsen in ihre Suppe.
Katrins Stimmung wurde noch trüber. Was sollte sie jetzt machen? Kalter so schlecht machen, dass er fortgeschickt wurde? Dann würde ihr Vater wieder alles allein machen müssen, wie vorher. Sie dachte noch einmal über das Geschehene nach. Der Kerl war kurz angebunden gewesen und hatte sie loswerden wollen. Und sie war beharrlich geblieben. Dann war er auf sie losgegangen. War sie ihm so auf die Nerven gegangen, dass er deshalb die Beherrschung verloren hatte? Also gut. Die Erklärung überzeugte sie zwar nicht ganz, aber eine andere fand sie nicht. Sie würde erst einmal abwarten und sich künftig von ihm fernhalten. Rausschmeißen konnten sie ihn immer noch.
„Also, ich glaube, ab morgen essen wir wieder mittags warm, wie wir es immer gehalten haben. Dass wir ohne Pause den ganzen Tag auf dem Feld gearbeitet haben war ja in der letzten Woche, als das Heu eingebracht werden musste, ganz in Ordnung. Aber dein Vater braucht die Pause in der Mittagshitze und alle anderen auch. Nicht wahr, Katrin?“ Luise zog die Suppe vom Herd und sah über die Schulter ihre älteste Tochter an. „Du kannst mal deinen Bruder suchen gehen. Der Junge weiß genau, dass er mittags hier erscheinen soll, um die Brote zum Feld zu bringen. Auch wenn es heute das
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