Ein schicksalhafter Sommer
Dann holte sie die Suppenkelle vom Haken und marschierte nach nebenan ins Esszimmer, um einen Teller zu holen. Das Licht der Lampe reichte nicht bis zur Anrichte, und so tastete sie eine Weile herum, bis sie einen tiefen Teller gefunden hatte. Auf dem Weg zurück in die Küche vernahm sie plötzlich ein schabendes Geräusch. Im schwachen Licht der Lampe sah sie sich suchend in der Küche um, als sie auch schon erkannte, was da so schabte. Es war das Kratzen des Löffels, wenn er den Topfboden traf. Sie stellte den Teller auf die Spüle, legte die Suppenkelle daneben, und lehnte sich an die Spüle. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und beobachtete kopfschüttelnd, wie er den Topf auskratzte. Als dieser leer war, schob er ihn von sich und stand auf. Er sah sie an der Spüle stehen und deutete auf den leeren Topf. „Danke für das Essen. Gute Nacht.“ Er nahm das Päckchen und war verschwunden. Nachdenklich sah Katrin auf die geschlossene Türe. Die meiste Zeit hatte Kalter keine Manieren und wusste manchmal nicht, was sich gehörte. Dann wiederum schien er sich ab und an zu erinnern, was höflich war und was nicht. Gerade eben hat er sogar ein paar Sätze gesprochen, aber ganz offensichtlich gar nicht bemerkt, dass von ihm erwartet wurde, von einem Teller zu essen. Katrin schüttelte nochmals den Kopf und machte sich wieder auf den Weg in ihr Bett.
Kapitel 4
Am frühen Samstagabend nutzte Robert die Gelegenheit für ein schon lange fälliges Bad. Er schüttelte sich das Wasser aus den Haaren und stieg aus dem See. Sie waren heute gut vorangekommen, und Hermann Nessel hatte am späten Nachmittag beschlossen, dass Robert den restlichen Tag ausruhen sollte. Also hatte er begonnen, die nähere Umgebung zu erkunden und dabei diesen See entdeckt. Er hatte sich gerade die Hose angezogen, als er den bellenden Hofhund Hennes auf sich zukommen sah. Robert sah sich suchend um. Wo der Hund war, da war auch Otto nicht weit. Wenig später kam der rennende Otto in Sicht und bremste bei Roberts Anblick scharf ab.
„Oh, Tag.“ Atemlos blieb er vor ihm stehen und sah ihn von oben bis unten an. „Warst du im See?“
Als Robert nickte, fuhr Otto ermutigt fort. „Dann kannst du schwimmen.“ Ottos Augen leuchteten vor Ehrfurcht.
„Ja“, antwortete Robert verblüfft, „klar.“
Schwer beeindruckt musterte Otto den Knecht nun etwas genauer. „Ich kann`s immer noch nicht“, gestand er dann beschämt.
Robert tätschelte den Hund und wunderte sich, dass der Junge ihn ansprach. Bisher hatte er keine zwei Sätze mit ihm gesprochen. Doch wie es aussah, hatte er sogar vor, noch mehr zu sagen. Jetzt sprach er schon wieder. „Entschuldige, was hast du gesagt?“
„Ich hab gefragt, wie du das gelernt hast. Das Schwimmen meine ich.“
„Mm.“ Robert kratzte sich am Kopf. „Ich hab`s mir selbst beigebracht, schätze ich.“
„Wirklich?“
Als Robert nickte, fuhr er fort. „Ich kann es ja nicht lernen. Mama hat mir verboten, alleine ins Wasser zu gehen, auch wenn ich da noch stehen kann. Und um mir das Schwimmen beizubringen, hat keiner Zeit.“
„Stimmt. Dann kannst du es auch nicht lernen.“
„Hat dir deine Mutter denn damals nicht verboten, alleine Schwimmen zu lernen?“
„Da war meine Mutter schon tot. Aber wenn sie noch am Leben gewesen wäre, hätte sie es bestimmt getan“ , beeilte er sich hinzuzufügen.
Otto sah zu Boden und stieß mit der Fußspitze ein paar Mal in den Dreck. „Na ja“, sagte er schließlich, „ich geh dann mal weiter. Komm Hennes.“ Langsam schlurfte er davon.
Nachdenklich sah Robert ihm nach. Schließlich wandte er sich ab, schüttelte sein Hemd aus und zog es sich an. Doch dann kam ihm ein Gedanke. Mit einem Arm im Hemdsärmel hielt er inne. Der Junge würde doch wohl nicht auf die Idee kommen, jetzt auch heimlich Schwimmversuche zu unternehmen? Und er, Robert, hatte ihn auf die Idee gebracht. Verdammt. „He!“, rief er Otto nach.
Der Junge drehte sich fragend um. „Ja?“
„Ich könnte es dir beibringen.“
Otto kam langsam zurück. „Schwimmen?“ , fragte er ungläubig.
Robert knöpfte sein Hemd zu und nickte. Er konnte selbst kaum glauben, was er da gerade gesagt hatte.
„Ganz wirklich?“
Als Robert nochmals nickte, hüpfte Otto aufgeregt auf und ab. „Oh, Mensch. Wann? Jetzt gleich?“
„Wie wäre es mit morgen? Dann ist Sonntag und wir haben Zeit.“ Amüsiert sah er zu, wie das Kind auf und ab hüpfte.
„Morgen dann. Danke Robert. Das muss ich
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