Ein schicksalhafter Sommer
meinem Haus liegt. Da haben wir es beide immer gleich weit. Warte nur. Die ist spitze geworden.“ Etwas ruhiger fuhr er fort. „Nur das Dach und so kriegen wir nicht richtig hin. Darum sollte Papa ja mitkommen.“
„Was ist denn nur mit dir los, Otto? Kannst du nicht mal still sitzen und in Ruhe aufessen?“ Kopfschüttelnd maßregelte Mine ihren Enkel.
„Ich warte, dass Katrin fertig gegessen hat. Sie geht mit mir meine Hütte anschauen.“
„Aber erst isst auch du zu Abend“, beharrte sein Vater.
„Papa, willst du nicht doch mitkommen?“
„Nein, Otto. Es tut mir leid. Aber ich muss mich jetzt wirklich ausruhen“, sagte Hermann freundlich.
„Aber du musst sie sehen, damit du mir sagen kannst, wie ich sie fertig bauen soll.“ Otto ließ mutlos die Schultern hängen. „Ich hab zu Klaus gesagt, dass mein Papa uns bestimmt hilft.“
„Sei doch froh, dass deine Schwester mit geht“, tadelte Luise. „Du weißt doch, dass dein Vater Ruhe braucht.“
„Bin ich ja. Ich hab ja bloß gedacht, da ss Papa mir vielleicht mit unserem Dach helfen könnte.“ Plötzlich erhellte sich sein Gesicht. „Robert, du kannst ja mitkommen!“ Freudestrahlend sah er zu ihm herüber. „Du bist ein Mann und dann weißt du bestimmt auch, worauf man beim Bauen achten muss. Komm doch mit, ja?“
Robert sah den Jungen an. Warum eigentlich nicht? Er musste nur noch ausmisten, dann hatte er für heute nichts mehr zu tun. Und dass die Schwester auch mit kam, störte ihn merkwürdigerweise nicht. Nachdenklich sah er in das kleine, gespannte Gesicht. „Also gut.“
„Klasse.“
„Gleich da vorne ist es.“ Otto zeigte aufgeregt auf den Waldrand. Hennes sprang genauso aufgeregt nebenher.
„Also, ich sehe nichts, Otto.“ Angestrengt sah Katrin in die Richtung, in die ihr Bruder deutete.
„Ja, ein bisschen versteckt ist sie schon. Soll ja nicht jeder direkt sehen können.“
Sie kamen an eine Stelle, wo ein kleiner Pfad durch die Bäume in den Wald führte. „Ah, jetzt sehe ich`s.“ Katrin entdeckte den Verschlag ungefähr zwanzig Meter tief im Wald. Als sie näher kamen, wurde offensichtlich, dass etwas nicht stimmte.
„Ah, Otto, das ist...“ Robert verstummte unsicher. Katrin starrte sprachlos auf das Bauwerk und Otto schrie entsetzt auf.
„Oh, nein!“ Erschrocken lief er um die Hütte herum. Robert und Katrin beobachteten mitleidig, wie Otto verzweifelt die Hütte umrundete. Die Jungen hatten den Verschlag aus alten Brettern gebaut, die sie sich zusammengesucht hatten. Die Bretter waren ungleichmäßig und manche waren morsch. Die Hütte war rechteckig, ungefähr zwei mal drei Meter lang und vorne hatten Otto und Klaus eine Öffnung für die Tür gelassen. Ursprünglich hatten wohl auch schon ein paar Bretter für das Dach obendrauf gelegen, doch diese waren jetzt auf dem Boden der Hütte verstreut. Der Türsturz hing schief herunter und einige Bretter waren verrutscht oder einfach ganz umgekippt. Die hatten die Kinder wohl nicht befestigt. Die ganze Hütte sah aus, als würde sie jeden Moment einstürzen. Doch für einen Achtjährigen und seinen jüngeren Freund war das eine beachtliche Leistung, fand Robert.
„Wie kann das sein?“ Fassungslos stand Otto vor seinem Bauwerk. „Das sah gestern noch ganz anders aus. Da fehlte nur noch die Tür und das Dach war noch nicht ganz fertig.“ Den Tränen nahe, sah er seine beiden Begleiter an.
„Vielleicht hättet ihr sie etwas stabiler bauen sollen, Otto“, begann Katrin vorsichtig.
„Die Hütte war stabil.“ Nachdenklich streichelte er den Hund, der sich tröstend an ihn drückte. „Da muss jemand gekommen sein und sie kaputt gemacht haben.“
„Das glaub ich nicht, Otto. Wer soll das denn getan haben? Hier kommt doch keiner vorbei.“ Katrin beugte sich tröstend zu ihrem Bruder hinunter, doch dieser beachtete sie nicht und ging in die Hütte.
„Da!“ , ertönte es von innen. Empört kam Otto wieder heraus, eine leere Holzkiste vor sich her tragend. „Seht ihr?“ Er hielt ihnen nacheinander die Kiste hin. „Unsere Proviantkiste ist auch leer. Jemand war hier und hat alles aufgegessen.“
Robert sah auf die leere Kiste und kraulte nachdenklich den Hund hinter den Ohren. „Vielleicht waren es Wildschweine“ , sagte er schließlich.
„Meinst du?“ Erstaunt betrachtete Katrin noch einmal die Hütte.
„Warum nicht?“ Robert zuckte die Achseln. „Vielleicht haben sie die Nahrung gerochen und haben die Hütte im wahrsten Sinne des
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