Ein schicksalhafter Sommer
„Ich bin sehr damit einverstanden.“ Sie sah zu ihm hoch und er nahm ihr Gesicht in seine Hände.
Erst lächelte auch er, doch dann wurde er ernst. „Und wie kann das sein? Ich meine, sieh mich an, Katrin.“
Sie legte den Kopf ein wenig zur Seite und betrachtete ihn. „Ich sehe den Mann, der mich glücklich macht, wenn ich mit ihm zusammen bin. Der mich zum Lachen bringt, der kleinen Jungen das Schwimmen beibringt und der traurige Mütter tröstet. Der unermüdlich arbeitet und dabei trotzdem noch guter Dinge ist. Der Mann, der mich endlich fühlen lässt, dass ich lebe.“
„Mein Gott, Katrin.“ Er sah fassungslos in ihr Gesicht. „Das meinst du wirklich, nicht wahr?“
„Aber ja, Robert“, sagte sie inbrünstig und sah ihn eindringlich an. „Natürlich.“
Sie umarmte ihn, und auch er nahm sie in die Arme, vergrub sein Gesicht in ihrem Nacken und schloss die Augen. Während er sie an sich drückte, wusste er ganz sicher, dass er das erste Mal in seinem Leben glücklich war.
„Wo bleiben die beiden nur?“ Luise hielt die Hose vor sich und spitzte die Lippen. „Also, ich weiß nicht. Hoffentlich passt sie jetzt.“
„Was machst du denn da?“ , fragte Hermann. „Nähst du etwa?“
„Das siehst du doch. Ich ändere die Hose um.“
„Als hätten wir nicht genug Arbeit. Das kannst du ja wohl im Winter machen.“
„Das ist die gute Hose, die ich für Robert bestellt habe. Darum warte ich ja, dass er vom Feld zurückkommt. Er muss sie anprobieren.“
„Jetzt ist alles zu spät!“ Oma Mine stieß den Stock auf die Dielen. „Hermann, jetzt hat deine Frau endgültig den Verstand verloren.“
„Jetzt reicht es mir aber, Mine. Was fällt dir ein?“ , herrschte Luise ihre Schwiegermutter an. Auch ihr Langmut hatte einmal ein Ende. Doch Wilhelmine keifte unbeeindruckt weiter.
„Wir nagen am Hungertuch, aber dem Satan werden neue Kleider gekauft. Du bist von Sinnen, Madam.“
„Morgen fahren dein Sohn und sein Knecht in die Stadt zum Markt. Was sollen die Leute denken, wenn Robert in seinen verschlissenen Arbeitssachen fährt? Denn verschlissen sind sie, weil er hier für zwei arbeitet.“ Zornig warf Luise die Hose auf den Tisch. „Dein Gejammer möchte ich hören, wenn die Leute sich das Maul zerreißen, dass dein Hermann noch nicht einmal mehr seinen Handlanger vernünftig einkleiden kann.“
Luise sah die beiden Menschen da vor sich sitzen, die sich beide so ähnlich waren. Meist konnte sie das ständige Genörgel mit ihrer Frohnatur ignorieren. Doch von Zeit zu Zeit platzte auch ihr der Kragen. Wenn sie jetzt nicht hinausging, würde sie garantiert etwas sagen, was ihren kranken Mann nur unnötig aufregen würde. Also sparte sie sich wie so oft ihre Bemerkungen und verließ das Zimmer. Doch eins musste sie noch loswerden. Sie öffnete wieder die Türe und rief: „Außerdem hab ich die feinen Sachen bei Karl bestellt gehabt. Und wann der Hermann das bezahlt, steht ja sowieso in den Sternen.“ Befriedigt knallte sie die Tür zu.
Robert blinzelte, als er die Enten auf dem Teich beobachtete. Sie glitten friedlich über das Wasser und die Insekten summten im Gras um ihn herum. Er hatte sich mit Katrin ans Ufer gesetzt und nun schaute er sie an.
Sie saß neben ihm und schien etwas zu beobachten. Er betrachtete ihr Haar, welches sie heute offen trug. Es lag wie ein Vorhang vor ihrem abgewandten Gesicht. Robert hob die Hand und strich ihr ein paar Strähnen hinters Ohr. Als er die Hand wieder wegnahm, erschrak er.
Dicke Büschel ihres Haars hatten sich in seinen Fingern verfangen und als er die Hand schüttelte, fielen sie zu Boden. Er verscheuchte ein paar Fliegen, die ihm beinahe in den Mund geflogen wären, und dann blinzelte er, um sich zu vergewissern, dass er auch richtig gesehen hatte. Wieder griff er in ihr Haar, und wieder zog er eine ganze Handvoll Strähnen heraus.
„Katrin, dein Haar!“ Robert schluckte. Wie konnte das sein? „Katrin!“ Sie reagierte immer noch nicht, irgendetwas am anderen Ufer schien ihre Aufmerksamkeit zu fesseln. Sie bemerkte noch nicht einmal die Fliegen, die ihr über ihre Hände liefen. „Verdammt Katrin!“ Endlich rührte sie sich und wand sich ihm ein wenig zu.
„Was ist denn Robert, merkst du nicht, dass du beim Essen störst?“, fragte sie ruhig.
„Beim Essen? Wen störe ich beim Essen?“
„Die Fliegen und die Würmer“, erklärte sie geduldig, als spräche sie zu einem Kind. „Das nächste Mal wartest du, bis sie mit
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