Ein schicksalhafter Sommer
ackerte seit der Standpauke am Montag wieder wie ein Pferd und präzise wie ein Uhrwerk und somit gab es für Hermann auch da keinen Grund zur Klage. Sollten die beiden sich doch unterhalten, wenn es ihnen Spaß machte.
„Aber so lange, Hermann! Was meinst du, was die da machen?“
„Luise, du hast immer was Neues. Kann ein Mann den nicht einmal am späten Abend in Ruhe eine Tasse Tee trinken? Was soll das Mädchen schon machen? Wahrscheinlich unterhält sie sich mit ihm.“
„Ha, unterhalten! Wo der doch kaum ein Wort herausbringt“, krächzte Oma.
„Ja, bei euch schwatzhaften Frauenzimmern braucht man ja auch nur zu nicken, ihr redet ja in einem fort ohne Unterlass. Wenn Katrin nur ein wenig nach ihrer Mutter schlägt, dann hat er sowieso keine Gelegenheit, zu Wort zu kommen.“
„Hermann, ausnahmsweise muss ich heute deiner Frau einmal zustimmen! Hoffentlich geht bald mal einer gucken, wo das Mädchen abgeblieben ist.“
„Also, Mutter. Katrin ist achtundzwanzig und keine drei. Außerdem sind wir hier nicht in der Großstadt. Sie wird sich hier auf dem Hof schon nicht verirrt haben.“
„Du sollst nachsehen gehen, was sie da mit dem Knecht treibt!“, rief Oma Mine
„Ihr seid ja verrückt. Die Katrin ist praktisch mit dem Karl verlobt. Und der Robert wird sich hüten, die Finger nach meiner Tochter auszustrecken , wo ich ihm die Standpauke gehalten habe.“ Hermann winkte ab. „Ich gehe ins Bett. Gute Nacht.“ Da redete wenigstens keiner.
„Du wirst schon sehen, was du davon hast. Und eine gute Nacht hatte ich schon lange nicht mehr, seit dieser Unhold sich hier eingenistet hat.“ Oma Mine erhob sich ebenfalls und schlurfte kopfschüttelnd zu Bett.
Luise sah ihrem Mann nach. Ihr Hermann hatte sich schon immer zu wichtig genommen. Seine Meinung war die einzig richtige, und davon ließ er sich nicht abbringen. Hatte Luise diese Eigenschaften mit achtzehn bei ihrem zehn Jahre älteren Verehrer als Selbstbewusstsein und Weisheit gedeutet, so wurde sie bald nach der Hochzeit eines Besseren belehrt. Dass Luise und Wilhelmine sich dauernd in den Haaren hingen, interessierte ihn nicht. Auch alles andere, was ihm Unannehmlichkeiten bereiten könnte, ignorierte er. Er wollte einfach seine Ruhe und Luise sollte ihn mit ihrem Weiberkram in Ruhe lassen. Seine großen Pläne für den gerade geerbten Hof, von denen er Luise berichtet hatte, beschränkten sich darauf, jede Menge Bruchland zu kaufen, um es urbar zu machen. Sein Vater hatte Land verkaufen müssen und Hermann wollte den Hof unbedingt wieder vergrößern.
Die anderen Bauern versuchten sich in der Tannenzucht für Weihnachtsbäume, in Hopfen für die zahlreichen Brauereien in der Umgebung, sie züchteten Weiden für die Korbweidenflechterei, sie betrieben Gänsezucht, bauten Spargel an und vor allen Dingen besuchten sie Schulungen, die die Landwirtschaftskammer zur Verfügung stellte, um unter anderem über neue Düngemethoden zu unterrichten. Doch all dieser neue Kram war nichts für ihren Hermann.
Der kaufte Bruchland. Wie der reiche Kofer. Nur dass Kofer das Geld hatte, das Sumpfland urbar zu machen und zu bestellen. Die Nessels hatten nicht genug Rücklagen und in den folgenden Jahren konnte dieses Land noch nicht einmal bestellt werden. Es lag brach. Tat es heute noch. Als Luise mit ihrem Mann darüber sprach, das Land zu verkaufen, Schulungen zu besuchen und es wie die anderen zu machen, wurde ihr gesagt, sie solle sich aus seinen Geschäften raushalten und sich um Haushalt und Kinder kümmern. Und Luise hatte natürlich nachgegeben. Um des lieben Friedens willen. Wie immer. Obwohl sie wusste, dass sie Recht hatte.
Nein, ihr Hermann hatte kein Händchen für die Landwirtschaft. Und handwerkliches Geschick fehlte ihm auch. Und feiern tat er auch gern. Zum Frühschoppen, bei jedem Schützenfest in der Umgebung, zu Fastnacht, zu Erntedank. Er verspielte Geld beim Karten und schaffte die falschen Dinge an.
Aber er war ihr Hermann, und er war ihr trotz allem lieb und teuer. „Ja, ja“, seufzte Luise in sich hinein. Dann kehrte sie in die Gegenwart zurück und nahm ihr Strickzeug wieder auf. Beunruhigt warf sie noch einen Blick auf die Uhr.
Sie konnte sich nicht helfen, sie hatte den Eindruck, dass ihre Tochter sich in letzter Zeit ungewöhnlich gut mit dem Knecht verstand. Wenn sie sich mit ihm unterhielt, was sie ungewöhnlich oft tat, dann hatten die beiden etwas Vertrauliches an sich, was Luise nervös machte. Neuerdings hatte
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