Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Schlag ins Herz

Ein Schlag ins Herz

Titel: Ein Schlag ins Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilkka Remes
Vom Netzwerk:
ein Rettungsboot. Der Elektromotor sprang an, und die Haltestangen schoben das orange, aus feuerfestem Material gefertigte, kapselförmige Boot über die Reling. Nach einem kurzen Schwanken in der Luft glitt es an den Stahlseilen des Davits nach unten.
    Holmström schaute durchs Fernglas. Aus der Kajüte des Segelboots stieg noch immer dichter Rauch auf. Hier und da waren Menschen inmitten der Wellen zu erkennen, jemand winkte. Holmström wusste, dass die Besatzung der
Sigyn
die bestmögliche war. Und ins Rettungsboot hatte er jene vier kommandiert, die eine Sonderausbildung für Extremsituationen erhalten hatten.
     
    Patrik sah das orangefarbene Rettungsboot auf sich zukommen. Er konnte sogar das Gesicht des Mannes am Steuer durch das Bootsfenster erkennen. Vom Heck aus streckte ein Retter Patrik die Hand entgegen.
    »Haben Sie die Kraft, zu mir zu schwimmen?«, fragte er auf Schwedisch.
    Mit wenigen Schwimmzügen war Patrik am Boot. Er griff nach der ausgestreckten Hand, und der Mann zog ihn routiniert aus dem Wasser.
    »Was ist passiert? Sind Sie verletzt?«
    Patrik antwortete nicht. Er ließ sich nicht einmal anmerken, dass er verstand, was der Mann sagte, sondern lag nur regungslos im Boot.
    »Äußerlich scheint er in Ordnung zu sein«, meinte ein Seemann zu seinem Kollegen.
    »Da drüben ist der Nächste«, erwiderte der und wendete das Boot.
    Wenig später zerrte der Retter Konstantins aus dem Wasser. Dieser redete wirres Zeug in seiner Muttersprache, und Patrik fragte sich unwillkürlich, ob das nur Theater für die Männer von der
Sigyn
war, oder ob Konstantins tatsächlich das Entsetzen gepackt hatte.
    In dem Moment hörte man einen Schrei. Andrus schwamm in zwanzig, dreißig Metern Entfernung und schien in Panik geraten zu sein. Die Retter eilten ihm zu Hilfe. Als sie den völlig erschöpft wirkenden und unter Schock stehenden Andrus ins Boot hoben, rutschte er ab und blieb am Bootsrand hängen, nur eine Hand noch im Griff des Retters.
    Patrik rappelte sich hoch, um zu helfen. Während der Retter an beiden Händen zog, umfasste Patrik den Brustkorb des Esten und hob an. Dabei spürte er etwas Hartes unter Andrus’ Rettungsweste, etwas, was dort nicht hingehörte. Was hatte er da bei sich?
    Im selben Augenblick vibrierte Patriks wasserdicht verpacktes Satellitentelefon in der Schenkeltasche. Jetzt hatte er allerdings wahrlich keine Zeit, sich zu melden.
    Als sich das Rettungsboot der
MS Sigyn
näherte, sah Patrik, dass vom Schiff aus eine Strickleiter über die Reling geworfen wurde. Der Plan schien aufzugehen.
    Sein hartnäckig vibrierendes Telefon veranlasste ihn nun doch dazu, den Reißverschluss der Seitentasche zu öffnen und nachzuschauen, wer der Anrufer war, denn nur wenige Personen hatten diese Nummer.
    Der Anruf kam aus Deutschland, aus Hamburg, wie die Vorwahl verriet – es war Beates Vater.
    Die Strickleiter kam näher. In dieser extrem angespannten Situation bemühte sich Patrik, klar zu denken. Was wollte Klaus Funke? Etwas über Beate berichten? Oder über Dominik?
    Patrik riss die Schutzfolie ab und meldete sich.
    »Hier spricht Klaus Funke. Neben mir steht eine Frau, die behauptet, Ihre Mutter zu sein   … Ich gebe sie Ihnen.«
    Patrik war vor Überraschung wie gelähmt.
    »Patrik«, sagte eine heisere Frauenstimme aufgeregt. »Sag etwas   … Bist du da?«
    Patriks Finger drückte die rote Taste am Telefon, und die Verbindung war unterbrochen. Gleich darauf bemerkte er den wütenden Blick von Andrus.
     
    Verblüfft sah Klaus Funke die Frau an, die ihm das Telefon zurückgab.
    »Was ist?«, fragte er. »Hat Patrik aufgelegt?«
    Die kurzhaarige Frau, die sich als Anita Vasama vorgestellt hatte, schien zunächst nicht antworten zu wollen, sagte aber schließlich: »Er will nicht mit mir sprechen. Aber er muss mich anhören   … Rufen Sie ihn noch einmal an, bitte.«
    Funke sah zu seiner Frau hinüber, die ebenso irritiert zu sein schien angesichts des überraschenden Besuchs. Frau Vasama trug trotz ihres Alters von ungefähr fünfzig Jahren ausgetretene Stoffschuhe, orange Jeans und einen bereits leicht verfilzten bunten Wollpullover. Um den Hals hatte sie ein Palästinensertuch geschlungen.
    Ohne Vorwarnung war sie bei ihnen aufgetaucht, hatte erzählt, sie sei vor Jahren von Finnland nach Deutschland gezogen und habe in einer Kommune gewohnt, wo sie andere alternativ denkende Menschen kennengelernt habe. Ihr Sohn Patrik habe damals bei seinem Onkel in Finnland bleiben

Weitere Kostenlose Bücher