Ein Schlag ins Herz
gemacht werden.«
Dominik nahm den Diamantbohrer aus dem Kasten.
Verzweifelt schüttelte Patrik den Kopf. »Euch ist doch klar, dass eine Streichholzschachtelvoll vom Inhalt dieses Behälters ausreicht, um einen großen Teil der Ostsee zu verseuchen …«
»Hast du Angst?«, fragte Konstantins verächtlich. »Ich war jahrelang in den verseuchtesten Bereichen rund um Tschernobyl. Es gab Stellen, wo man immer nur zwei Minuten am Stück arbeiten konnte. Die Zeit wurde mit der Stoppuhr genommen. Da lernt man, seine Angst unter Kontrolle zu halten.«
Er hielt Patrik die Faust vors Gesicht. »Du hast mich einmal nach den Tätowierungen auf meinen Fingern gefragt«, sagte Konstantins. »Die Bruderschaft von Tschernobyl.«
Konstantins schaltete eine grelle Baustellenlampe ein und nahm Vorstecher und Hammer in die Hand.
»Patrik, es wäre eine gute Sache gewesen, ein Transparent am Schiff anzubringen und Bilder davon in die Medien zu bringen«, sagte Dominik. »Aber es hätte keine wirkliche Bedeutung gehabt, es wäre nicht einmal die Topnachricht geworden. Dafür braucht man etwas Größeres. Etwas wie das hier.« Dominik tätschelte den Behälter.
Es fiel Patrik schwer, sich einzugestehen, dass Dominik, nüchtern betrachtet, recht hatte. Trotzdem war er sich sicher, dass es Dominik in Wahrheit nicht um das Problem der Atommüllentsorgung ging, sondern etwas völlig anderes dahintersteckte.
»Du hast immer groß dahergeredet, von wegen die kommenden Generationen würden uns verfluchen und in die unterste Hölle wünschen, weil wir ihnen die Last und die Risiken unseres Mülls aufbürden«, fuhr Dominik fort. »Du hast gesagt, alles sei erlaubt, um zu verhindern, dass Atommüll im Grundfels vergraben wird, weil es moralisch und ethisch unbestreitbar falsch ist. Jetzt, Patrik, hast du Gelegenheit, dir und den anderen zu beweisen, dass du auch etwas unternehmen kannst und nicht nur reden.«
Konstantins strich im hellen Licht der Baustellenlampe über den Behälter, setzte den Vorstecher an und schlug mit dem Hammer zu, sodass in der Oberfläche eine kaum erkennbare Kerbe entstand.
Patrik fuhr zusammen.
»Wir bohren zwei Löcher in die Hülle«, sagte Dominik. »Das eine wird größer, aber nur knapp zehn Zentimeter tief, bis zum Sicherheitsbehälter. Damit täuschen wir diejenigen, die später die Hülle untersuchen werden. Die zweite Bohrung machen wir möglichst klein, vielleicht drei Millimeter, aber sie wird die innere Hülle durchdringen.Zur Sicherheit setzen wir einen Verschluss auf und maskieren die Oberfläche.«
Allmählich begriff Patrik, dass es sinnlos war, sich auf sein Wissen zu berufen. Auch die Gegenseite schien bestens unterrichtet zu sein.
»Du weißt sehr gut, wie wir vorgehen müssen«, sprach Dominik weiter. »Wenn du uns nicht hilfst, ist das Risiko, dass etwas passiert, größer. Aber du willst keine Katastrophe. Dein Gewissen lässt es nicht zu. Deshalb bist du ja auch aus dem Dienst für die Atomindustrie ausgestiegen, nicht wahr?«
Wieder spürte Patrik den Hass auf Dominik in sich aufsteigen. »Hat Beate dir das alles erzählt?«, fragte er, ohne die Bitterkeit in seiner Stimme verbergen zu können.
»Ich wusste schon eine Menge über dich, bevor ich Beate kennenlernte.«
Patrik fühlte sich schutzloser als je zuvor.
»Von meiner Mutter?«
Dominik antwortete nicht, sondern musterte ihn nur mit schwer deutbarer Miene. Nach einem Moment drückender Stille reichte Konstantins ihm einen Schutzanzug und zog sich selbst einen an.
Patrik hielt den Demron-NB C-Overall , den er nur allzu gut kannte, in der Hand und wog die Lage ab. Dominik hatte richtig kalkuliert: Er würde sich nicht weigern, zumal Konstantins sich ohnehin ans Werk machen würde. Die Bohrung musste auf den Millimeter genau durchgeführt werden, und er konnte nicht verantworten, dass dabei etwas entsetzlich schiefging …
Verzweifelt sah er sich um, aber es gab keinen Ausweg. An der Wand hing ein schwarz-gelbes Funkgerät mit Kunststoffhülle, aber das war nur für die Kommunikation an Bord bestimmt.
»Was ist das?«, fragte Dominik, der nun auf der anderenSeite des Frachtraums stand, und deutete auf einen schwarzen Gegenstand von der Größe eines Kühlschranks. »Ist das auch ein Atommüllbehälter, bloß kleiner?«
Patrik ging hinüber, Konstantins folgte ihm.
»Hast du schon mal so einen Atommüllbehälter gesehen?«
Patrik betrachtete das Ding, das in der Tat wie eine Kapsel aussah und für den Transport
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