Ein Schlag ins Herz
damit?«
»Ich habe ein Projekt, das du finanzieren könntest. Du zahlst mir und ein paar Männern ein Honorar dafür, dass wir dir helfen.«
Hermans Lippen lächelten weiterhin, aber seine Augen waren nun ernst und lauernd.
»Helfen wobei?«
»Bei etwas, das du gerne tun möchtest, das du aber nicht kannst und nicht wagst. Oder eher bei etwas, das du tun
solltest
, wenn du wenigstens ein bisschen so leben willst, wie du es predigst.«
Sandrine sah Herman an, ohne etwas zu sagen. Hätte ein anderer sich getraut, so mit ihr zu reden, wäre sie rasend geworden. Aber Herman kannte sie. Vielleicht sogar besser als nötig.
»Also gut, ich gebe es zu. Du hast meine Neugier geweckt.«
4
Patrik schaute auf die stille Ostsee und versuchte, seine Gefühle unter Kontrolle zu halten.
Beate hatte mit der Gruppe zusammen ein Projekt vorbereitet, bei dem sie auch Patrik mit dabeihaben wollte. Beate war tot, aber ihre Arbeit durfte nicht unvollendet bleiben.
Die Geheimnistuerei der anderen ärgerte ihn allerdings, auch wenn Patrik selbst wusste, dass sie für das Gelingen der Operation notwendig war. Selbstverständlich war ihnen die Polizei auf den Fersen und wahrscheinlich auch die private Sicherheitsfirma, die das Gaspipeline-Unternehmen engagiert hatte. Sollte der nächste Schlag noch spektakulärer ausfallen, so wie Dominik es angedeutet hatte, musste in der Gruppe einwandfreie Disziplin herrschen.
Gespannt griff Patrik nach dem Fernglas, das Dominik ihm reichte. Er schaute in dieselbe Richtung, in die auch Andrus neben ihm mit dem Fernglas blickte. Sanfte Wellen schaukelten den Trawler der
Live Baltic!
-Gruppe unter bewölktem Himmel auf der Ostsee vor Gotland.
Das Schiff befand sich in weiter Entfernung, doch die Konturen seines rot-weißen Rumpfes ließen sich im Fernglas deutlich erkennen.
In dem Moment meldete Patriks Handy den Eingang einer Textmitteilung. Er starrte auf das Display.
»
Patrik, sei so gut und melde dich bei mir. Mutter.«
Wo hatte sie seine Nummer her? Bildete sie sich wirklichein, er würde darauf reagieren? Er steckte das Handy ein und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf das Schiff in der Ferne.
»Die
MS Sigyn
«, sagte Dominik. »Patrik kann uns erzählen, was dieses Schiff transportiert.«
Die anderen auf dem Deck horchten auf.
Patrik begegnete Dominiks und Andrus’ ernsten, intensiven Blicken und wusste nicht, was er denken sollte. Der Pole Bronislaw sah ihn neugierig an. Konstantins schaltete seinen iPod aus und nahm die Kopfhörer ab, die ihn mit schwerer, die Botschaft vom Weltuntergang verkündender Rockmusik beschallt hatten.
»Erzähl!«, forderte Dominik ihn auf.
Patrik räusperte sich und sagte so leise, dass seine Stimme kaum das Rauschen des Windes übertönte: »Die
Sigyn
transportiert hoch radioaktiven Atommüll von Forsmark und Ringhals nach Oskarshamn.«
»Gehen wir in die Kajüte«, meinte Dominik tonlos. »Die
Sigyn
kann uns genauso gut sehen wie wir sie.«
Beim Hinuntersteigen blickte Patrik nervös auf die Gefährten. Andrus setzte seine runde Brille auf, und Konstantins steckte den iPod in die Tasche seines dunkelgrünen Parkas. Es hatte den Anschein, als wüsste nur Dominik vom Zweck dieser Fahrt.
»…
kam es zwischen den Demonstranten, die sich vor dem Parlamentsgebäude versammelt hatten, und der Polizei zu Auseinandersetzungen. Laut Angaben des Innenministeriums wurden dabei sechs Polizisten verletzt
«, sagte die Stimme eines Nachrichtensprechers im knisternden Kofferradio.
Patrik sah, wie Dominik seiner abgewetzten Ledertasche ein braunes Kuvert entnahm und ein Foto herauszog, auf dem ein Frachtschiff mit rotem Rumpf zu sehen war. »Die
MS Sigyn
…«
Andrus beugte sich vor und drehte das Radio lauter.
»
Im Lauf des Tages ist das russische Außenministerium dazu übergegangen, härtere Töne anzuschlagen
.
Ein Sprecher sagte, Estland behandle die russischsprachige Bevölkerung unverzeihlich schlecht, und verlangte
…«
Dominik schaltete das Radio aus, ohne sich um Andrus zu kümmern, und ließ das Foto herumgehen, damit es alle sehen konnten.
Patrik betrachtete das Schiff. Nichts daran verriet etwas Außergewöhnliches, es war ein normaler Frachter.
»Gebaut 1982«, sagte Dominik. »Fährt unter der Flagge einer Gotländischen Reederei. Neunzig Meter lang, achtzehn Meter breit. Kombiniertes Roll-on/roll-off- und Lift-on/lift-off-Schiff. Vier Meter breite Maschinenräume und ein vier Meter hoher Doppelboden umgeben den Hohlraum, in
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