Ein Schlag ins Herz
Dienste an afghanische Drogenbarone verkauft, aber Sandrine fiel es schwer, das zu glauben.
Gewissen Informationen nach war Herman schließlich als Handlanger kapitalistischer Ausbeuter auf den Ölfeldern Nigerias aktiv gewesen, hatte aber auch ein von somalischen Piraten geentertes Frachtschiff zurückerobert und Sandrines Klinik gegen wütende Aufständische verteidigt.
»Ich habe bereits das volle Training wiederaufgenommen«, sagte Geir und machte eine Kopfbewegung zu der selbst gebauten Fitnessstudio-Ausrüstung, die unter freiem Himmel aufgebaut worden war.
Sandrines Blick fiel auf einen großen Mann, der eine schwarze Ratte am Schwanz über einem Glaskasten auf dem Tisch baumeln ließ. Im Kasten wartete eine Schlange mit glänzender Haut starr auf ihre Beute.
»Schon wieder ein neues Kuscheltier?«, sagte Sandrine zu Jochem, der ein ärmelloses T-Shirt und Tarnhosen trug. Jochems Leidenschaft waren giftige Reptilien und ausgefallene Insekten. Er besaß eine Privatsammlung, die sich irgendwo in Holland befand. Immer wieder schmuggelte er Zuwachs dorthin. Der breitschultrige Holländer mitden nach hinten gekämmten, halblangen Haaren und der hohen Stirn warf Sandrine einen misstrauischen Blick zu. Er war Angehöriger einer NAT O-Spezialeinheit gewesen und schließlich, frustriert davon, auf der Suche nach al-Qaida-Kämpfern durch die Höhlen in den Bergen von Pakistan und Afghanistan zu kriechen, Söldner geworden.
»Wirst du die mit nach Holland nehmen?«, fragte Sandrine.
»Kann schon sein, dass sie eines Tages mit nach Hause kommt«, entgegnete Jochem und ließ die Ratte fallen, die blitzschnell von der Schlange gebissen wurde.
Herman legte die Hand auf Sandrines Schulter und führte die Ärztin zielstrebig in sein Zelt.
Mit der Fernbedienung brachte er die Musik zum Verstummen. »Ich habe Antilopenfilet zubereitet. Du wirst überrascht sein.«
»In deiner Gesellschaft ist das nichts Neues.«
Sie setzten sich an den niedrigen Tisch, der auf einem Perserteppich stand.
»Ich habe von Patrik gehört.«
Sandrine spürte, wie sie sich verspannte. »Der Verlust der Patientin war bedauerlich.«
Herman nickte leicht. »Das ist sicher eine ziemlich brisante Situation, wenn plötzlich dein ehemaliger Freund vor dir steht und seine halbtote neue Freundin auf den Armen trägt.«
In Sandrine stieg Wut auf. »Worauf spielst du an?«
»Auf gar nichts.«
Sandrine erhob sich. »Hast du mich hierhergerufen, um mich zu beleidigen? Ich kann auf der Stelle wieder zurückfahren.«
Herman ergriff ihre Hand. »Ich wollte nur sagen, dass die Situation bestimmt irritierend war. Deine Entscheidung, sich um den Patienten zu kümmern, der die größerenÜberlebenschancen hat, zeigt, was für eine Topärztin du bist. Setz dich!«
Sandrine zögerte, nahm aber wieder Platz. Patrik arbeitete nicht in Hermans und Geirs Gruppe, aber die Söldnerkreise waren klein. Allerdings nannte sich Patrik nicht Söldner, sondern »Sicherheitsberater«. Der finnische Geologe war in einer Firma beschäftigt gewesen, die die Endlagerung von Atommüll im Felsuntergrund vorbereitete, hatte aber gehen müssen und anschließend Arbeit bei großen Bergwerksunternehmen gefunden, die in Afrika nach Erzvorkommen suchten. Vor allem im Kongo, in den Gebieten von Katanga und Orientale, mussten sich diese Unternehmen zwielichtiger Sicherheitsfirmen bedienen, von deren Mitarbeitern Patrik einige kennenlernte. Er hatte seinen Militärdienst in Finnland als Kampftaucher absolviert, und als sein Vertrag mit den Bergwerksunternehmen auslief, heuerte er bei einer Sicherheitsfirma an.
Während des Essens erzählte Herman, er sei am Tag zuvor von Islamabad über Frankfurt nach Kinshasa geflogen.
»Wie ist die Lage dort?«, wollte Sandrine wissen.
»Die Taliban gewinnen auf der pakistanischen Seite immer mehr an Boden. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann sie an Pakistans Atomwaffen herankommen.«
»Klingt nicht nach einer ruhigen Umgebung für einen heranwachsenden Jungen.«
»Daniel kommt bestens klar«, sagte Herman mit rauer Stimme und leicht verteidigendem Unterton. »Karatschi ist okay. Die internationale Schule ist okay. Für einen Zehnjährigen kommt es darauf an, dass er Fußballspielen kann.«
Sandrine wollte nicht widersprechen.
»Ich bin in Geldschwierigkeiten, Sandrine«, sagte Herman.
Die Ärztin seufzte und aß weiter.
»Aber diesmal will ich mir nichts leihen, sondern etwas verdienen«, fuhr Herman lächelnd fort.
»Was meinst du
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