Ein Schlag ins Herz
dem der Atommüll in Behältern transportiert wird.«
Dominik zog ein zweites Foto heraus, auf dem man sah, wie ein Transportbehälter von einem speziellen Sattelanhänger auf das Schiff umgeladen wurde.
»Die Wände des Rumpfs sind mit strahlensicherem Beton verstärkt. Das Schiff hat eine Besatzung von zwölf Mann und hält ständig Kontakt zum Festland.«
Als Nächstes holte Dominik eine Karte von Südschweden aus der Tasche.
»Pro Jahr unternimmt die
Sigyn
dreißig bis vierzig Fahrten. Fast jede Woche eine. Patrik, erzähl es genauer!«
Patrik ärgerte sich über Dominiks Art, ihm das Wort zu erteilen. Dennoch erklärte er: »Die
Sigyn
holt schwach und mittelstark radioaktiven Atommüll in Ringhals und Oskarshamn ab und bringt ihn zum Endlager in Forsmark. Dort wird er in Zement gegossen und in Höhlen, die man unter der Ostsee ins Gestein gesprengt hat, gelagert.«
Während Patrik sprach, zeichnete Dominik auf der Karteeine Linie ein, die in der Nähe von Göteborg an der Küste begann, um die gesamte Südspitze Schwedens herumführte und dann an der Ostküste entlang weiter nach Norden.
»Das ist hoch radioaktiver Müll, den das Schiff von den Meilern Ringhals und Forsmark ins CLA B-Zwischenlager Oskarshamn bringt«, fuhr Patrik fort. »Dort warten die benutzten Brennstäbe in Wasserbecken auf den Transport ins Endlager.«
Dominik zeichnete die Transportrouten auf der Karte fertig. »Danke, Patrik. Derzeit ist die
Sigyn
auf dem Weg von Ringhals nach Oskarshamn, mit hoch radioaktivem Atommüll an Bord. Was würde passieren, wenn das Schiff in die Hände von Terroristen fiele?«
Keiner sagte etwas. Patrik wunderte sich von Minute zu Minute mehr über Dominiks Worte.
»Die Aufmerksamkeit der Medien wäre riesig, wenn auf so einem Schiff etwas passieren würde. Deshalb werden wir die
Sigyn
für kurze Zeit unter unsere Kontrolle bringen. Unsere Botschaft wird dadurch in allen Medien der Welt Thema Nummer eins sein. Anschließend verschwinden wir.«
Patrik starrte Dominik bestürzt an.
Ein Schlag gegen ein mit Atommüll beladenes Schiff? Hatte Dominik den Verstand verloren?
Das Knarren des kleinen Trawlers auf den schaukelnden Wellen schien durch die verdutzte Stille in der Kajüte zuzunehmen.
»Und danach wird man uns auf der ganzen Welt jagen«, sagte Andrus schließlich.
»Ist einer von uns nach dem Schlag gegen die Gaspipeline erwischt worden?«, fragte Dominik.
Wieder wurde es still, bis Bronislaw, der bis dahin nachdenklich über seinen dichten Schnurrbart gestrichen hatte,das Schweigen brach. »Was für Vorkehrungen gibt es auf dem Schiff gegen einen Angriff?«
»So gut wie keine, außer dass sie ständig in Verbindung mit dem Festland stehen. Deshalb müssen wir sehr schnell zuschlagen.«
Patrik schüttelte den Kopf, seufzte tief und ging hinauf an Deck. Er lehnte sich gegen die Kajüte und schaute in die Richtung, wo die
Sigyn
vorhin gewesen war. So etwas hatte er nicht erwartet. Meinte Dominik es ernst, oder war das eine Art Test? Alles andere, aber nicht das! Patrik wollte sich so weit wie möglich von Atommülltransporten fernhalten.
Der Plan wirkte vollkommen verrückt – aber auch mutig, das musste man zugeben. So wie Beate es gesagt hatte, geradezu voll Bewunderung: Dominik war größenwahnsinnig, aber in diesen Dingen war das nur von Vorteil. Wenn man auf die globale Meinungsbildung einwirken wollte, musste man etwas wirklich Großes machen. Und eine Demonstration auf der
Sigyn
wäre zweifellos so eine Sache.
Dominik kam aus der Kajüte und trat langsam neben Patrik.
»Ein medienwirksamer Schlag gegen die
Sigyn
war auch Beates Idee gewesen«, sagte er.
Ach ja? Warum hat sie mir dann nichts davon erzählt?, wollte Patrik gerne zurückgeben.
»War das die Aktion, bei der sie mich dabeihaben wollte?«, fragte er stattdessen.
Dominik nickte. »Beate hat mir von deiner Zeit als Söldner in Afrika erzählt. Und von deinem früheren Leben als Geologe einer Endlagerungsfirma in Finnland.«
Patrik wurde unruhig. Zum Glück hatte er nicht einmal Beate alles erzählt. Sie hatte ihn gefragt, was ihn dazu gebracht hatte, der Atomindustrie den Rücken zu kehrenund als Feldgeologe nach Afrika zu gehen, aber Patrik hatte beschlossen, ihr die Wahrheit erst später zu verraten.
»Ich verstehe den medialen Wert einer solchen Aktion«, sagte Patrik. »Aber ist die Aufmerksamkeit das Risiko wert?«
»Die Risiken sind nicht so groß, wie du glaubst. Wir sind dazu fähig, wenn du mitmachst.
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