Ein Schlüssel für den Mörder
die Leute wirklich
empfinden? Vielleicht ist es jemand, für den ich die Hand ins Feuer legen würde
— jemand, der mir sogar wirklich nahesteht, wie Leon zum Beispiel .«
»Leon ?« fragte ich geduldig.
»Leon
Douglas — mein Chefredakteur«, sagte er. »Wir sind jetzt fünf Jahre beisammen,
und ich vertraue ihm wie einem Bruder — oder noch viel mehr; ich erinnere mich
an meinen Bruder !«
»Wer
sonst noch?«
»Nun
— « er lachte kurz auf, »ich glaube, da ist noch immer meine liebende Ex-Gattin
Melissa, dieses eiskalte kleine Luder. Sie bekommt fünfundzwanzigtausend Dollar
im Jahr von mir .«
»Ein
guter Grund für sie, allen Wert darauf zu legen, Sie am Leben zu erhalten«,
bemerkte ich.
»Sie
kommt außerdem in den Genuß einer hübschen fetten Lebensversicherung für mich«,
fügte er düster hinzu. »Ein bißchen über hunderttausend — vielleicht möchte sie
sich jetzt wieder verheiraten und hält Umschau nach einer Mitgift ?«
»Wer
noch?«
»Da
ist noch mein Teilhaber im Club .« Stanton senkte die
Stimme und blickte über die Schulter, bevor er den Namen aussprach. »Gene
Meyer.«
»Meyer ?« sagte ich verblüfft.
»Sprechen
Sie leiser, verdammt noch mal !« Seine Stimme klang
gequält. »Glauben Sie, ich möchte, daß die ganze Welt Bescheid weiß ?«
»Das
heißt also ziemlich fragwürdige Geldgeschäfte«, sagte ich, pflichtschuldigst
die Stimme senkend. »Meyers Name ist gleichbedeutend mit allen großen
illegitimen organisierten Coups der letzten dreißig Jahre .«
»Er
ist nur stiller Teilhaber .« Stantons Antwort klang
beinahe entschuldigend. »Er kümmert sich nicht aktiv um die Leitung des Clubs .«
»Er
prüft nur dreimal in der Woche die Bücher ?«
Er
zog eine Grimasse. »So ungefähr. Seit wir angefangen haben, Gewinne zu machen,
drängt er mich, ihm meinen Anteil von fünfzig Prozent zu verkaufen. Vielleicht
wird er langsam ungeduldig .«
»Ich
kann mir Meyer — oder jemanden, den er angeheuert hat — nicht beim Schießen mit
Plastikmunition vorstellen«, brummte ich.
»In
Ihrer Bemerkung kann ich nur schwerlich Trost finden !« Er trank geräuschvoll sein Glas aus. »Sie sehen, Holman, Sie haben bereits eine
ganz hübsche Auswahl .«
»Ist
die Liste mit Meyer zu Ende ?«
Die
babyblauen Augen betrachteten eine Weile mein Gesicht und wandten sich dann ins
Nichts starrend ab. »Einen könnte ich mir noch denken«, sagte er tonlos.
»Sebastian — Pete Sebastian.«
»Der
Trompeter?«
»Ja.
Er spielt jetzt eben oben in unserem Palastsaal. Seine jüngere Schwester
Shirley war eine unserer ersten Houris , als wir den
Club eröffneten. Einen Monat später fand ich heraus, daß sie heroinsüchtig ist
— sie hat sich das Zeug direkt in die Vene gespritzt, du lieber Himmel! Ich
mußte sie also rausschmeißen. Was blieb mir weiter übrig? Zwei Wochen später
brachte sie sich um. Sie setzte sich in ein warmes Bad und schnitt sich die
Pulsadern auf. Pete fand sie. Aus irgendeinem verrückten Grund macht er mich
dafür verantwortlich. Als ob es meine Schuld gewesen wäre, wenn sie süchtig war !«
»Aber
jetzt arbeitet er für Sie ?«
»Ich
dachte, es würde sozusagen die Wunde heilen, wenn ich ihn und sein Trio für
drei Wochen engagierte«, sagte er bedrückt; »und dazu noch um ein Heidengeld.
Der Junge kostet mich vielleicht etwas! Und alles, was es mir einbringt, ist
ein fischäugiges Angestarre , als wäre ich etwas, das
der Koch schon seit längerem in den Abfallkübel hätte fallen lassen sollen. Das
nenne ich Dankbarkeit, Holman! Sie beißen nicht nur die Hand, die sie füttert,
sie spucken auch noch gleichzeitig darauf !«
»Ihr
Chefredakteur, Ihre Frau, Ihr stiller Teilhaber und Ihr Trompeter«, sagte ich.
»Sonst noch jemand?«
»Im
Augenblick fällt mir niemand ein — vielleicht gibt’s noch ein paar hundert
mehr, von denen ich nichts weiß .« Er grinste und
entblößte dabei sein weißes Pferdegebiß , das mehr
nach Klaviertasten als nach sonst etwas aussah, von denen er mindestens vier
Oktaven im Mund haben mußte.
»Aber
schließlich habe ich das beste Gegenmittel, das ich bekommen konnte, Holman«,
fügte er befriedigt hinzu. »Sie kosten mich am allermeisten, soviel ist sicher .« Er warf einen Blick auf seine Uhr und runzelte die Stirn.
»Ich müßte schon wieder im Büro sein. Morgen früh können wir die Sache
endgültig besprechen, okay ?«
»Gut.«
Ich nickte. »Ich gehe jetzt ins Hotel zurück und...«
»In
ein Hotel ?« unterbrach er mich
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