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Ein schmutziges Spiel

Ein schmutziges Spiel

Titel: Ein schmutziges Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Keskinen
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sich über ihn.
    Heute ist es neblig, dachte Danny, und er lauschte auf das Nebelhorn im Hafen. Das Nebelhorn, das er bei Nacht von seinem Bett aus hören konnte, an seinem eigenen, sicheren Ort.
    »Wir können nicht zurück«, hörte er seine Mutter sagen. »Weil sie …« Der Nebel wurde dichter und erstickte die Worte.
    Was war da draußen in dem Nebel? Etwas Böses – etwas, das so schrecklich war – Danny schoss hoch. Er starrte die beiden unheimlichen Gesichter an, die ihm nun entgegenblickten. Die Augen und Nasen bewegten sich, glitten an Stellen, an die sie nicht gehörten. Die Art, wie sie ihn anschauten … sie machten ihm schreckliche Angst. Waren das Teufel, die sich in guten Menschen versteckten? Die sich in Menschen regten, die er kannte, die mit ihren Gesichtern spielten und sie übernehmen wollten?
    »Lili Molina«, sagte einer der Teufel.
    » LILI! «, schrie Danny entsetzt auf. » BIST DU DA DRAUSSEN IM NEBEL? LILI, LILI, WAS IST MIT DIR PASSIERT ?«
    »Aber, Jaymie, wo wollen Sie schlafen?« Alma sah vor Erschöpfung geradezu willenlos aus. »Wenn Sie uns Ihr Bett überlassen?«
    »Machen Sie sich meinetwegen keine Gedanken. Ich bin gleich nebenan im Studio.« Ich lächelte besänftigend. »Ich muss nur noch ein paar Dinge aus meinem Schlafzimmer holen, und dann können Sie hier Ihre Ruhe haben.«
    Alma sackte in sich zusammen. Ich sah, wie sie Stück für Stück zusammenklappte. »Gott segne Sie«, murmelte sie.
    »Ja, danke«, fügte Aricela mit ihrer hohen, klaren Stimme hinzu. Sie und Chuy hatten es sich bereits vor dem Fernseher bequem gemacht. Dexter, der sich niemals eine Gelegenheit entgehen ließ, hatte sich zwischen den Kindern auf dem Sofa zusammengerollt.
    Scooby-Doo kam mir für Aricela nicht mehr altersgerecht vor, aber die Sendung half ihr zweifellos, sich von den erschreckenden Ereignissen des Tages zu lösen. Von einer wütenden Nachbarmeute aus seinem Zuhause vertrieben zu werden war etwas, das kein Kind je erleben sollte. Ich war nicht sicher, ob Chuy begriffen hatte, was da passiert war, aber Aricela verstand es nur zu gut, und ich wusste, sie würde es nie vergessen.
    Ich stopfte einen Pyjama und frische Kleider in eine Sporttasche und warf auf dem Weg nach draußen noch einen Blick in das kleinere Gästezimmer. Danny lag in fötaler Haltung auf dem schmalen Bett und hatte sich die Kapuze seines grauen Sweatshirts fest über das Gesicht gezogen.
    Chuy blickte vom Fernseher auf, als ich das Wohnzimmer erneut durchquerte. »Kann Dexter bei mir bleiben?«
    »Ich nehme ihn besser über Nacht mit ins Studio, Chuy. Er muss morgens früh raus – um fünf Uhr dreißig. Da wirst du noch tief und fest schlafen.«
    »Neieiein«, jammerte er theatralisch und zog das kurze Wort mit erhobener Stimme in die Länge. »Er mag mich. Er will bei mir bleiben!«
    »Mija«, ermahnte ihn Alma müde.
    »Dexter wird morgen, wenn du aufstehst, vor der Tür auf dich warten, Chuy«, sagte ich. »Darauf kannst du dich verlassen.«
    Ich musste mehrfach rufen, bis der Köter widerwillig von der Couch glitt und mir nach draußen folgte. Als ich die Tür zu der kleinen Hausgemeinschaft schloss, blieb er auf der Stufe und drückte die Nase an den Türspalt. »Morgen, Dex. Die brauchen dich. Weiß Gott, das tun sie.«
    Im Studio warf ich meine Sachen auf den Tisch und zog den Papasansessel ans Fenster. Die Töle ließ sich mit einem übellaunigen Grunzen auf den Teppich fallen.
    Über dem Kanal zog die Abenddämmerung herauf, und ein paar schwache Lichter funkelten auf den Bohrinseln. Ich beugte mich vor und drehte die alte Aluminiumkurbel. Salzige Seeluft, vermengt mit dem Geruch des Öls, das naturgemäß aus dem Kanal hervorquoll, strömte in das Studio.
    Wie stets, wenn ich in diesem Zimmer war, kehrten die Erinnerungen an meinen Bruder zu mir zurück. »Brodie …« Meine Stimme versagte.
    Inzwischen konnte ich Santa Cruz Island, die sich in der purpurnen Nacht verlor, kaum noch ausmachen. Einsamkeit, kalt wie das Wasser im Kanal, sickerte in meine Gedanken. Um die Stimmung zu vertreiben, ging ich hinaus und füllte meine Lunge mit dem süßen Abschlussballparfüm des Klebsamenbaums, der die Garage überwucherte.
    Morgen würde ich das Studio ebenfalls aufgeben, beschloss ich. Danny brauchte einen eigenen, ruhigen Platz.
    Ich schaute zum Haus hinüber. Ein Licht glomm in einem der Fenster. Zumindest waren die Armentas heute Nacht in Sicherheit.
    Nach fünf oder zehn Minuten kehrte ich ins Studio

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