Ein schmutziges Spiel
hätte ich nicht gerechnet.
Ich konzentrierte mich wieder auf Jared. Sein Wagen bewegte sich nun voran und fuhr in die Einfahrt, die der Lexus gerade verlassen hatte. Ich wartete einige Minuten und fuhr meinerseits langsam die Straße hinauf.
Der BMW parkte am hinteren Ende der zerfurchten, unbefestigten Einfahrt, und von Jared war nichts mehr zu sehen. Aber das war das richtige Haus. Der winzige Vorgarten erstickte förmlich unter endlosen Reihen von Topfpflanzen, die um ihr Überleben kämpften.
Ich fuhr an dem kleinen verputzten Haus vorbei und umkreiste einige Blocks. Dann kehrte ich zurück. Jareds Wagen hatte sich nicht bewegt. Aber jetzt streifte eine magere Frau in einem alten pinkfarbenen Bademantel durch den winzigen Vorgarten. Eine Zigarette hing in ihrem Mundwinkel. Sie wässerte die Pflanzen und zerrte einen Schlauch hinter sich her.
Die Frau blickte auf und sah mir in die Augen, als ich vorüberfuhr. Sie war wahrscheinlich nicht viel älter als ich, aber Summer bewegte sich mit hohem Tempo auf den Herbst ihres Lebens zu. Ihre fahle Haut sah fleckig aus, und das Haar war mehr weiß als blond.
Lockiges, blondes Haar. Augen von einem verwaschenen Blau. Und dieses verräterische, zarte Kinn. Jared Crowley sah seiner Mutter verdammt ähnlich.
Der nächste Tag war ein Freitag. Statt auf meinen Verstand zu hören, war ich meinem Herzen gefolgt und hatte zugestimmt, das Wochenende mit Mike und seinem Dad auf der Ranch der Dawsons zu verbringen. Aber ehe ich die Stadt verließ, hatte ich noch etwas zu erledigen, etwas, das ich hinausgeschoben hatte.
Ich hatte den El Camino nicht mehr über die Micheltorena Street gesteuert, seit ich den kleinen Jungen und seinen Hund verschreckt hatte. Stattdessen hatte ich mich darauf beschränkt, auf dem Weg zum Büro und zurück mit dem Fahrrad vorbeizufahren. Der Junge und sein Spaniel waren beinahe ständig draußen, aber man musste schon suchen, um die zwei zu entdecken. Meist spielten sie hinter einem dichten Hain Prunus caroliniana, offenbar Überreste einer alten Hecke. Aber ich war ziemlich sicher, dass ich wusste, womit sich beide, Hund und Junge, herauslocken ließen.
»Bist doch für was gut, Dex«, sagte ich, als ich dem widerborstigen Vieh ein Halsband umlegte.
»Kann ich mitkommen?« Das war das, was Chuy inzwischen jedes Mal fragte, wenn ich mich bereitmachte, das Haus zu verlassen. Wenn möglich sagte ich Ja. Heute wollte ich Nein sagen, dachte dann aber noch einmal darüber nach. Lieber Gott, vergib mir, aber ich schaute den süßen kleinen Kerl an und sah Lockvogel Nummer zwei.
»Okay, Chuy. Geh und frag deine Mom.«
Zu dritt fuhren wir hinunter nach San Andres und parkten vor einem Eiscafé. »Wir gehen erst spazieren, und dann holen wir uns ein Eis. Dex braucht ein bisschen Übung mit der Leine.«
»Was ist dein Lieblingseis?« Chuy stolzierte neben mir her und musste für jeden meiner Schritte zwei oder drei tun.
»Mokka, vielleicht. Oder Schokolade.«
»Ja, ich mag Schokolade. Aber mein Lieblingseis ist … Kaugummi!« Er blickte zu mir hinauf. »Hast du schon mal Kaugummieis gegessen? Ich schon.«
Wir näherten uns dem Haus. Dexter, angeblich ein Hütehund, bildete die Vorhut und zerrte an der Leine.
»Kaugummi? Vielleicht. Was hat das für eine Farbe?«
»Blau! Okay, hast du schon mal …«
Wir erreichten die Ecke des Lattenzauns. Plötzlich stürzte sich ein wild kläffendes Gestöber weiß-braunen Fells auf Dexter. Dexters Fell sträubte sich, und er tat, als wäre er ein großer Hund, und knurrte aus tiefster Brust.
»Dexter, aus!«
Der Hütehund gab so oder so nur an. Sofort hörte er damit auf und wedelte vor Minuet mit dem Schwanz.
»Hey, der Hund ist ja süß …«, fing Chuy an. Dann verstummte er. Der kleine Junge war aufgetaucht.
Einen Moment hielt ich den Atem an. Als ich den Jungen das erste Mal gesehen hatte, als ich ihn das einzige Mal richtig gesehen hatte, hatte ich angenommen, er hätte mit Kinderschminke gespielt. Doch nun erkannte ich die Wahrheit: Ein großes, entstellendes Geburtsmal bedeckte mehr als die Hälfte seines Gesichts. Das rechte Auge war von der Verfärbung umgeben. Es sah aus, als würde er durch ein Loch in einem bläulichen Tuch linsen.
»Der Junge, er … er …«, stammelte Chuy.
Ich drückte ihm kurz die Schulter. »Sag einfach hi, okay?«
»Hi«, rief Chuy mit unsicherer Stimme.
Sogar Dexter schien zu begreifen. Er setzte sich auf den Boden und verhielt sich still.
»Hallo«, sagte
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