Ein schneller Sieg
Zilwicki sah auf und blinzelte, um klar sehen zu können. Es war ihr Erster Offizier.
»Sag ihnen, daß du sie liebst, Helen«, sagte er sehr leise, und sie ballte vor Schmerz die Faust.
»Das kann ich nicht«, flüsterte sie. »Nicht, wenn ihr alle nicht euren …«
Ihre Stimme brach, und die Hand des I.O.s preßte schmerzhaft ihre Schulter.
»Sei nicht dumm!« Seine Stimme war rauh, beinahe grimmig. »Es ist nicht eine einzige Seele in diesem Schiff, die nicht wüßte, daß dort drüben deine Familie ist – oder auch nur einen Moment glauben würde, du würdest nur ihretwegen so handeln! Nun stell dich ans Com und sag ihnen, daß du sie liebst, verdammt noch mal!«
Er schüttelte sie, während sie im Kommandosessel saß, und sie riß ihren Blick von ihm los und starrte beinahe verzweifelt die anderen Offiziere und die Brückengasten an – bat sie stumm um Vergebung.
Doch es bestand überhaupt keine Veranlassung zu flehen. Das sah Zilwicki in den Augen der Leute, und sie atmete tief durch.
»Ruder«, ihre Stimme war mit einem Mal wieder klar, »wenden Sie. – Jeff«, wandte Zilwicki sich an den Signaloffizier, »stellen Sie bitte eine persönliche Verbindung zur Carnarvon her. Ich nehme sie im Besprechungsraum entgegen.«
»Jawohl, Ma’am«, antwortete der Signaloffizier behutsam, und Helen Zilwicki hob sich aus dem Kommandosessel und ging erhobenen Hauptes zur Luke.
Thomas Theisman biß die Zähne zusammen, als er auf dem Display sah, daß die Antriebsquellen wendeten und in Gefechtsformation auf ihn zukamen. Hinter seinem Rücken krampfte er die eine Hand um die andere, dann zwang er sich, Commodore Reichman ausdruckslos anzusehen. Sie war sich so sicher gewesen, daß der manticoranische Kommandeur dem gesamten Geleitzug, den Frachtern und den Geleitschiffen, befehlen würde, sich zu verteilen. Schließlich würde, hatte sie angeführt, die Gravwelle die Manticoraner des Vorteils berauben, als erste mit Raketen auf weite Distanz angreifen zu können, und dies wäre ihre einzige Chance gewesen, überhaupt etwas auszurichten. Nur aus diesem Grund habe sie befohlen, den Geleitzug hier, innerhalb der Welle abzufangen und nicht zwischen den Wellen, wie Theisman vorgeschlagen hatte. Kein Kommandeur werde seine Schiffe für nichts opfern, wenn die Verteilung bedeutete, daß wenigstens vier seiner zehn Schiffe überleben würden.
Thomas Theisman hatte es besser gewußt – Annette Reichman hingegen hatte noch nie gegen Manticoraner gekämpft. Und weil Theisman verloren hatte, als er gegen sie kämpfte, hatte Reichman seine Warnungen mit kaum verhohlener Herablassung ignoriert.
»Ihre Befehle, Ma’am?« fragte er nun, und Reichman schluckte.
»Wir greifen frontal an«, antwortete sie nach einem Moment des Zögerns.
Sie tut geradezu so, als hätte sie noch eine Wahl , dachte Theisman abfällig.
»Jawohl, Ma’am. Wünschen Sie unsere Formation zu ändern?« Er bemühte sich, mit unbeteiligter Stimme zu sprechen; dennoch bebten die Nasenflügel des Commodore.
»Nein!« schnauzte sie.
Theisman hob den Blick und sah über ihre Schulter hinweg. Sein kaltes Starren sorgte dafür, daß Reichmans Stabs- und Theismans Brückenoffiziere sich rasch außer Hörweite verzogen. Dann beugte der Captain sich zu ihr vor und sagte leise und ruhig:
»Commodore, wenn Sie die Schiffe im konventionellen Aufschlußgefecht mit der Jagdbewaffnung angreifen, werden sie abdrehen und uns ihre Breitseiten zuwenden. Auf optimale Entfernung werden sie uns alles zu kosten geben, was sie aufzubieten haben.«
»Unsinn! Das wäre Selbstmord!« keifte Reichman. »Wir reißen sie in Stücke, sobald sie hinter ihren Segeln hervorkommen!«
»Ma’am«, sagte Thomas Theisman leise und eindringlich wie zu einem Kind, »vom Massenverhältnis her sind wir diesen Schiffen sieben zu eins überlegen. Sie müssen auf Energiewaffenreichweite herankommen. Sie wissen so gut wie wir, was das bedeutet. Deshalb werden die Manties das einzige tun, was ihnen zu tun übrigbleibt. Sie werden uns die Breitseiten bieten und jede Strahlwaffe feuern, die sie haben, und sie werden auf unsere vorderen Alpha-Emitter zielen. Wenn sie auch nur einen einzigen davon erwischen, verlieren wir das Focksegel, und so tief innerhalb einer Gravwelle …«
Er mußte den Satz nicht beenden. Ohne Focksegel keine Ausbalancierung des Großsegels, ohne Balance konnte kein Sternenschiff innerhalb einer Gravwelle manövrieren. Auf sich allein gestellt, wäre das Schiff auf
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