Ein schneller Sieg
hatte es ein großes Problem bedeutet, ausgerechnet Allison Harringtons Tochter zu sein. Honor liebte ihre Mutter und wußte, daß ihre Mutter sie liebte. Obwohl Allison einen Beruf ausübte, der nicht weniger forderte als eine Laufbahn als Navyoffizier, war sie nie »zu beschäftigt« gewesen, um ihrer Tochter Liebe, Wärme und Stütze zu schenken – aber Allison war so zierlich und so wunderschön. Und wenn Honor sie ansah, dann wußte sie, daß sie dieser Schönheit niemals gleichkommen, daß sie für immer eine übergroße Mutantin sein würde, und heimlich hatte sie den Teil in sich gehaßt, der ihrer Mutter nicht verzeihen wollte, durch ihr Aussehen Honors unscheinbare Unbeholfenheit noch zu betonen.
Und dann Pavel Young.
Honors Lächeln verschwand; reflexartig fletschte sie die Zähne. Pavel Young, der in seinem Haß sein Bestes gab, um Honors winzige Illusion von Attraktivität, die sie irgendwie gehegt hatte, auch noch zu zerstören. Der ihre melancholischen Träume darüber, was hätte sein können, in etwas Häßliches, Abstoßendes verwandelte. Wenigstens aber hatte sie gewußt, daß er ihr Feind war und daß sein Angriff dem Haß und seinem verletzten Ego entsprang und nicht etwas war, das sie irgendwie verdiente. Er hatte ihre Gefühle beschmutzt und entwürdigt, aber nicht er war es gewesen, der sie fertigmachte. Nein, das zu tun hatte einem ›Freund‹ oblegen.
Die Gram und die niederschmetternde Beschämung eines lange zurückliegenden Nachmittags durchflutete Honor; es war das am tiefsten verdrängte Erlebnis eines oft außerordentlich unglücklichen Heranwachsens, ein Erlebnis, das für Honor deshalb so qualvoll war, weil sie nicht begriffen hatte, warum Cal Panokulous von Nimitz so sehr abgelehnt wurde, jedenfalls nicht, bevor es zu spät war. Nicht, bevor sie lächernd und ohne anzuklopfen in die Stube des jungen Mannes gekommen war, den sie in sich verliebt wähnte … und mit anhören mußte, wie dieser den Ekel von Youngs Berührung bei weitem überbot, indem er am Com mit einem Akademiekameraden darüber witzelte, wie »plump, tolpatschig und ungeschickt« Honor Harrington doch sei.
Honor schloß die Augen, als könnte sie dadurch dem lange verleugneten Schmerz entkommen, der in ihr aufwogte. Selbst nach all diesen Jahren hatte sie auch sich selbst gegenüber niemals zugegeben, wie tief dieses Ereignis sie verletzt hatte. Nicht nur der Verrat, sondern der furchtbare, beißende Hieb gegen ein junges Mädchen, das bereits von einem Möchtegern-Vergewaltiger beschämt worden war. Ein Mädchen, dessen Mutter wunderschön war und das genau wußte, daß es selbst häßlich war. Das sich so verzweifelt danach sehnte, daß ihm jemand das Gegenteil bewies, das sogar Nimitz’ Warnung ignorierte, nur um zu erleben, wie furchtbar ein menschliches Wesen ein anderes verwunden konnte.
Nie wieder. Das hatte sich Honor daraufhin geschworen: daß ihr so etwas nie wieder passieren würde. Genausowenig, wie Panokulous je erfahren sollte, daß sie ihn wider Willen belauscht hatte. Sie war davongelaufen, denn wenn sie ihn gestellt hätte, dann hätte er entweder gelogen und es abgestritten oder gelacht und es zugegeben … und in beiden Fällen hätte sie ihn mit bloßen Händen umgebracht. Und dennoch – in gewisser Weise war Honor dem Mistkerl sogar dankbar, denn er hatte ihr demonstriert, was geschehen konnte, hatte ihr gezeigt, daß kein Mann je mehr als ein grobes und oberflächliches Interesse daran haben würde, sie trotz ihrer Plumpheit und Häßlichkeit ins Bett zu bekommen. Und so hatte sie jeden Gedanken an das Geschehen aus ihrem Bewußtsein getilgt.
Sie berührte erneut die warme, sanfte Hand und drückte sie sich gegen die Seite. Ihre Wärme wirkte auf Honor wie eine Art heidnischer Talisman gegen Teufel und Dämonen, und sie schloß die Augen noch fester. Sie hatte immer gewußt, daß die meisten Männer anständig waren. Wer von einer ‘Katz adoptiert wurde, mußte das wissen, aber Honor hatte dennoch Mauern um sich errichtet. Nicht nur hatte sie einen Teil ihres Ichs verborgen, sondern auch den Grund, weshalb sie diesen Teil versteckte; selbst vor den allerbesten Männern, und Honor hatte auch nicht anders gekonnt. Freundschaft – ja. Sie besaß Freunde, mit denen sie in den Tod gehen würde, aber keinen Geliebten. Keinen einzigen. Von diesem Risiko hatte sie sich abgenabelt – so vollkommen, daß sie in der Tat zufrieden gewesen war und sich niemals bewußt machte, was sie da
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