Ein Schnupfen hätte auch gereicht. Meine zweite Chance
gemütlich und unendlich schön. Anleitungen brauchte er nicht, er hat sich einfach alles selber ausgedacht und beim Spielen praktisch aus dem Finger gesogen, völlig spontan und ganz offensichtlich ohne Not, denn ich kann mich nicht erinnern, dass er einmal nicht gewusst hätte, wie es weiterging oder gar gestottert hätte! Als Luftikus und Schwerenöter war der gute Paps eben nie um eine gute Ausrede verlegen, nicht mal beim Kochen! Wenn er zu viel Pfeffer in das Essen getan hatte, dann war das erst mal kein Unglück und zweitens auf keinen Fall zu scharf, sondern äußerst gesund! Denn gerade im Winter wäre es sogar sehr gesund, denn scharfes Essen wärmte ja schließlich von innen! Unvergessen ist der Mum und mir auch noch die Story, bei der er eine sehr scharfe grüne Peperoni zubereitet hatte und sie uns schon hustend und spotzend als neue Bohnensorte verkaufen wollte.
Papa hatte wirklich die tollsten Einfälle, aber auch leider nicht immer das richtige Zeitgefühl für seine Ideen. Oder was würden Sie sagen, wenn Sie nachts um drei geweckt werden würden, nur weil der Herr Vater ein Blech Pflaumenkuchen gebacken hat? Wobei das ja noch die harmlose Variante der nächtlichen Ruhestörung gewesen war, denn einmal kam er des Nächtens nach Hause und veranstaltete mit seinen Kumpels im Treppenhaus erst mal ein Platzkonzert mit Trommeln und Trompeten. Sehr praktisch, denn so wussten nicht nur wir, dass Papa wieder gut zu Hause angekommen war, sondern auch die komplette Nachbarschaft im Viertel!
Dann konnte es auch passieren, dass morgens um sechs Uhr zwanzig Leute um mein Bett rumstanden und fragten: »Wat is jetzt? Frühstück mal langsam?« Gott sei Dank war ich da schon 15 und ließ die Schule einfach sausen, da ein Frühstück mit Papa und seinen pikloppten Kumpanen wesentlich mehr zum Lachen hergab als Mathematik und Erdkunde! Die Herrschaften und ich hatten Spaß wie ein Schnitzel, nur die Mum war not amused. Was ich natürlich heutzutage in meiner Eigenschaft als Mutter bestens nachvollziehen kann …!
Mein Vater war einfach ein verrückter Hund, und neben dem ganzen Mist, den er verzapft hat, gab es auch immer wieder diese unvergesslich schönen Momente. Zum Beispiel Weihnachten!
Wir wohnten früher in einem Mietshaus, das einen riesigen Innenhof hatte, in dem wir als Kinder immer gespielt haben. Jeden Heiligabend spielte mein Vater nachts mit der Tompete Weihnachtslieder in diesem Innenhof, ganz ohne Technik und Verstärkung. Das war so toll, dieser Sound der Trompete in diesem riesigen Innenhof, dass mir noch heute zwanzig Ameisenarmeen über die Pelle laufen, wenn ich nur dran denke!
Ich weiß nur eins: Wenn ich heute so darüber nachdenke, woher dieser ganze Wahnsinn in mir kommt, dann muss ich nicht lange nachdenken, von wem ich das habe! Das Schauspielern habe ich im Blut! Als in unserem Mietshaus zum Beispiel die Kohleöfen abgeschafft wurden und eine Zentralheizung eingebaut wurde, hatte mein Papa die Idee, eine Hausparty im Keller zu machen und »dä letzte Klütte« (das letzte Brikett) zu beerdigen! Schnell schrieb er ein Stück, welches wir dann also im Keller und »Partyraum« aufführten. Ich hatte gleich eine Doppelrolle bekommen und spielte einen Messdiener und den selbstverständlich auch eingeladenen und anwesenden Bürgermeister!
Das Grab für die Klütte war ein typischer Kellergulli, und mein Papa ließ sich in seiner Rolle als Priester natürlich standesgemäß mit einer Schubkarre ans Grab fahren, um dort seine ergreifende Trauerrede zu halten. Wir hatten alle einen Mordsspaß, du hättest uns das Lachen nicht aus dem Gesicht kloppen können!
Wenn meinem Vater spontan was einfiel, dann fackelte er nicht lange und machte es einfach. Das fand ich immer so megacool, wie man heute so gerne sagt! Aber genau das war es: megacool!
Straßenbahnfahren mit Papa konnte zum Beispiel auch sehr lustig sein, wenn er plötzlich aufstand, um die Fahrkarten zu kontrollieren. Und wenn einer keine hatte, dann war das nicht so schlimm, der durfte zwar weiterfahren, aber er musste natürlich irgendwas machen – ein Lied singen, durch den ganzen Bahnwagen tanzen, laut einen Witz erzählen oder einer alten Frau die Einkaufstüten nach Hause schleppen. Quasi die Fahrkarte abarbeiten statt Strafe zahlen … eine gute Lösung, wie ich finde! Meine Mutter sagt immer, wenn wir über Papa sprechen: »Dä Köster, dat wohr eine!« Der Köster, das war einer!
Bei meinen Schulkollegen ging natürlich
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