Ein Schnupfen hätte auch gereicht. Meine zweite Chance
eine ganz andere Geschichte ab. Da war alles schön normal und nicht so eine Freakshow wie bei uns zu Hause! Da gab es abends Hagebuttentee mit Bütterchen, alles schön gesittet und auf keinen Fall laut und chaotisch! Das hat mich immer sehr nervös gemacht, denn bei uns war ja immer HullyGully, wir haben eben nachts Pflaumenkuchen gegessen oder auf dem Ofen Kastanien gebraten und Mandarinenschalen im Ofen verkokelt, weil das immer so lecker gerochen hat. Und wenn es schön warm war und lecker gerochen hat, dann war es auch immer so schön muckelig und gemütlich gewesen! Ich weiß, dass der eine oder andere jetzt denkt, dass mein Vater verrückt war und meine arme Mutter sich krumm geschuftet hat, um uns durchzubringen und auf Kurs zu halten, aber so einfach ist das nicht. Ich wäre ohne meine Eltern – mit allen ihren positiven und weniger guten Eigenschaften – nie die geworden, die ich heute bin! Also danke ich meinen Eltern für den Wahnsinn und die Liebe im ganzen Chaos. Ich jedenfalls habe viel fürs Leben gelernt, und darum geht es letztendlich: dass man was fürs Leben lernt. Allzu oft stelle ich leider fest, dass gerade die Leute, die in der Schule alles so fein gelernt haben, leider nicht mit dem Leben da draußen zurechtkommen. Für das Leben braucht man eben auch den Wahnsinn und den Spaß, sonst ist es doch zu öde, oder? Wenn ich also über mein Leben nachdenke und darüber, warum ich so bin wie ich bin, dann denke ich oft an meinen Vater, meine Mutter und den alten Spruch: Das erklärt vieles, aber nicht alles!
Nix Wiedergeburt, Vertrag verlängert!
Ich weiß nicht, wie so etwas zustande kommt, aber ich vermute mal sehr schwer, dass sich wahrscheinlich mein Unterbewusstsein mir zuliebe wenigstens ein paar nette Filmchen während der langweiligen Komaphase ausgedacht hat! Und da ist es natürlich nur logisch, ein paar Filme zu zeigen, die ich noch nicht kannte!
Sehr gefallen hat mir zum Beispiel der Winterurlaubsfilm! Ich war nach dem Aufwachen aus dem Koma der festen Überzeugung, dass ich in den Winterferien mit der gesamten Familie – einschließlich meines Cousins Gerd, seiner Frau Renate und meiner Tante Käthe – auf Tobago gewesen bin. Dort – auf Tobago – war ich auch in einem Krankenhaus gewesen und hatte im Treppenhaus eine Kippe geraucht. Cousin Gerd und sein Kumpel Frank Hocker mussten wohl auch dort gewesen sein, denn ich hatte ihre Stimmen gehört! Komisch das alles und sehr faszinierend, was sich selbst in einem vom Schlaganfall halb abgerauchten Hirn noch so abspielt, mein lieber Krokoschengel! Als ich diese Geschichten der Mum oder meiner Freundin Uschi erzählt habe, haben die sich natürlich köstlich amüsiert! Rauchen auf Tobago im Krankenhaus mit Gerd … jasichaaaaa, dat is’ klar! Das erschien ihnen natürlich so realistisch wie ein neckisch tanzender Kardinal Meisner im Netzhemd auf’m Christopher Street Day in Köln! Aber für mich war das alles so wahr, und dementsprechend konnte ich das Amüsement über meine »Erlebnisse« oft nicht wirklich teilen! Für mich war es eben schockierender, was in der drisseligen Realität passiert war! Für mich war es so unglaublich, aus dem Koma zu erwachen und festzustellen, dass nichts mehr so war, wie ich es in Erinnerung hatte oder glaubte, es erlebt zu haben!
Nachdem man mich langsam, so etwa eine Woche lang, aus dem Koma aufwachen ließ, wurde ich ja praktisch mit in meinen Augen absurden Fragen bombardiert! Ich kann mich an ein kurzes »Erwachen« erinnern, wo ich meine allerliebstbeste Freundin Uschi und meine Mutter über mir erblickte. Die gute Uschi fragte mich: »Erkennst du uns? Weißt du, wer wir sind?« Ich konnte da leider noch nicht sprechen, weil ich zu diesem Zeitpunkt noch eine Trachialkanüle im Hals hatte, aber ich dachte nur: Natürlich weiß ich, wer ihr seid! Sach mal, habt ihr eigentlich Schimmel an der Hirnpanade oder was ist hier los? Ich versuchte, mit den Augen zu rollen, fand alles so unfassbar verrückt und konnte alles nicht glauben!
Genau das Gleiche erlebte ich dann auch mit dem Arzt, der mich fragte: »Wissen Sie, warum Sie hier sind?« Allerdings konnte ich da wenigstens schon wieder sprechen und ich antwortete: »Es ist ja nicht so, dass ich, bevor ich in ein Krankenhaus gehen würde, erst mal im Internet googlen würde, welches denn im Moment die angesagtesten Krankheiten wären!« Daraufhin sagte dieser Arzt – ziemlich unbeeindruckt von meiner Antwort –, dass ich einen
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