Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Schnupfen hätte auch gereicht. Meine zweite Chance

Ein Schnupfen hätte auch gereicht. Meine zweite Chance

Titel: Ein Schnupfen hätte auch gereicht. Meine zweite Chance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaby Köster
Vom Netzwerk:
versuchte sie oft von dieser Übung abzubringen, indem ich ihr sagte, dass mich eine zertrümmerte Ferse auch nicht wirklich weiterbringen würde. Hat nix genutzt.
    Oft habe ich auch im Anfangsstadium der Rehamaßnahmen einfach nur Stehen geübt, was schon schwer genug war. Ich musste öfter eine Pause machen und mich wieder hinsetzen. Worauf mir Eisen-Heidi unter Aufbringung all ihres Charmes sagte, ich sollte meine »dicke Kiste« bewegen! Das ging mir zu weit, und ich versuchte ihr klarzumachen, dass das immer noch »ein feines Popöchen« wäre, praktisch der Traum einer jeden Märchenfee. Ich will nicht über Eisen-Heidi meckern, ich habe schon verstanden, was sie mit solchen Äußerungen bezwecken wollte. Diese kleinen Provokationen sollten mich ärgern und mich zu mehr Leistung motivieren. Das Blöde ist nur, dass genau solche Methoden bei mir pihaupt noch nie funktioniert haben. Bei Druck und Ärger breche ich stumpf weg, das geht voll nach hinten los. War schon immer so: bei der Arbeit, in Beziehungen … eigentlich überall. Vielleicht hätte ich das Heidi auch mal sagen sollen, aber ich kann auch ganz toll beleidigt sein.
    Mittlerweile verstehen wir uns sehr gut – wer hätte das gedacht? Heidi, das muss ich einmal an dieser Stelle ausdrücklich betonen, ist eine Koryphäe auf dem Gebiet der Physiotherapie! Die kennt von jedem Muskel den Vor- und Geburtsnamen zuzüglich des Datums der Erstkommunion, sehr wohl! Sie gibt niemals auf, und jeder Nerv wird Ihnen demütigst bestätigen: Die lässt nicht locker! Sensationell!
    Das musste mal gesagt werden, weil es ja auch für die Leute oft schwierig ist, mit mir und meiner Art klarzukommen. Ich erinnere mich gerne daran, wie verwirrt Heidi war, als ich ihr relativ am Anfang in einer Therapiestunde gesagt habe, dass wir aber jetzt auch mal dringend an meinem linken Arm arbeiten müssten, da ich nämlich im richtigen Leben von Haus aus Konzertpianistin wäre und bald wieder auf Tournee müsste! Da war die gute Frau natürlich reichlich verwirrt und hat vielleicht auch erst mal gedacht, dass ich etwas verrückt war.
    Mit der Ergotherapeutin habe ich die kleinen Dinge des alltäglichen Lebens geübt, die für mich allerdings zu großen Herausforderungen geworden sind. Kleines Beispiel? Als ich endlich in der Lage war, vom Rolli selber aufzustehen, mich am Fußende des Bettes festzuhalten und nicht umzukippen, konnte ich mich in den Toilettenstuhl setzen, damit man mich auf die Toilette schieben konnte. Toll, oder? Jetzt wird der gesunde Mensch fragen, was es denn bitteschön jetzt da soooooo toll zu beklatschen gibt, schließlich ginge es ja wohl offensichtlich immer noch nicht ohne Hilfe! Richtig, es geht immer noch nicht ohne Hilfe! Wohl wahr. Aber es ist ein wahnsinnig tolles Gefühl, nicht mehr in die vermaledeite dricksdrisselige Bettpfanne machen zu müssen. MÜSSEN , verstanden? Man bekommt ein Stück Privatsphäre zurück, ein Stück Würde und das ist eben der große Erfolg an diesen kleinen, unter vielen Entbehrungen herbeigeführten Veränderungen. Dass das für gesunde Menschen, die mal eben schnell auf Toilette gehen, nur schwer nachvollziehbar ist … geschenkt! Und es bleibt ja trotz allem immer noch genügend Raum für ein bisschen Verzweiflung, schließlich bin ich Rechtshänderin und habe sehr leider keine Teleskoparme, um die großen Geschäfte selber abzuputzen! – So genau wollten Sie es nicht wissen? Ich auch nicht, das können Sie mir glauben! Aber solange mein linker Arm weiterhin der Ansicht ist, er hätte ein Anrecht auf Komplett-Rente mit siebenundvierzig, werde ich wohl erst mal weiterhin auf kleine Erfolge der Selbständigkeit hintrainieren.
    Kleine Anmerkung: Es ist schon manchmal erstaunlich, was einige Menschen unter einer psychologisch sinnvollen Motivation verstehen! Ich erinnere mich, wie ich einmal mit heruntergelassener Hose am Fußende des Bettes stehe und mich festhalte. Weil alles so wacklig war und ich das Gefühl hatte, in einer Hüpfburg zu stehen, hielt ich mich noch mehr fest. Schließlich wollte ich ja auch nicht hinfallen, das wäre gar nicht gut für meine körperliche Erholung gewesen. Also fragte ich meine Ergotherapeutin, ob sie mir netterweise die Hose hochziehen könnte. »Neee«, sagte sie, »machen Sie mal! Das ist ja Ihre Hose und nicht meine Hose!«
    Hallo? Ja, wie denn? Wie ich inzwischen hörte, studiert diese Dame jetzt Psychologie … hätte sie besser mal vorher gemacht! Ich musste mich doch mit

Weitere Kostenlose Bücher