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Ein Schnupfen hätte auch gereicht. Meine zweite Chance

Ein Schnupfen hätte auch gereicht. Meine zweite Chance

Titel: Ein Schnupfen hätte auch gereicht. Meine zweite Chance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaby Köster
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klarwurde, dass ich noch für lange Zeit einen Rollstuhl brauchen würde, kamen von überall Vertreter von Rehaprodukten mit ihren Rollstuhlkatalogen auf mich zu … da muss es einige sehr interessante Multiplikationsgespräche unter dem Siegel der Verschwiegenheit gegeben haben. Sei’s drum, auch Hyänen brauchen Futter.
    Sehr wichtig war mir auch, dass sämtliche Kanülen und Schläuche aus meinem Körper verschwinden. Auf der Intensivstation hatte ich ja noch eine Magensonde für die künstliche Ernährung. Noch unattraktiver, als diese braune Pampe über die Nase Richtung Magen verschwinden zu sehen, ist höchstens noch, einem Yeti mit Sonnencreme den Rücken einzucremen. Die Schwestern auf der Station waren sehr nett, und wir arbeiten langsam daran, sämtliche Kanülen und Schläuche aus meinem Körper zu entfernen. Als ich versuchen sollte, ein Marmeladenbrot zu essen, klappte das Schlucken eigentlich schon ganz gut. Da die Ärzte aber Angst hatten, ich könnte was in die Luftröhre bekommen, sollte ich aber auch auf jeden Fall noch zur Schluckdiagnostik gehen – haha, kleiner Scherz: »gehen« natürlich nicht, ich kann ja gar nicht mehr einfach irgendwo hingehen! Ich rolle ja jetzt – wenn einer so nett ist und mich schiebt! Ich machte mir zur bittersüßen Aufheiterung eine eigene kleine Bild-Schlagzeile: »Gaby Köster wütend! Fremdbestimmt durch Schlaganfall!« Vielleicht sollte ich mir auch selber »Post von Wagner« schreiben: »Lieber Schlaganfall, du gehst mir auf den Sack!«
    Wo war ich stehengeblieben? Ah ja, Schluckdiagnostik. Was es nicht alles gibt! Ich bekam wieder einen Schlauch durch die Nase und sollte einen Joghurt essen. Leider war es ein Erdbeerjoghurt, was zur Folge hatte, dass sich die ganzen kleinen Erdbeerkörnchen auf meiner Zunge zum Meeting getroffen haben. Als ich die Erdbeer-Demo per Schluckverfahren auflösen wollte, hatte ich mich prompt an den ganzen Körnern verschluckt, und die Untersuchung wurde abgebrochen. Das war’s dann erst mal mit selber essen. Seitdem bevorzuge ich Naturjoghurt, ich bin halt etwas nachtragend.
    Ebenfalls nachtragend muss ich an dieser Stelle auch noch mal feststellen, dass ein Katheter auf meiner internen Unbeliebtheitsskala unter den Top 10 ist, noch vor Platz 9: Brechdurchfall. Dieser miese, drisselige Drissdrecks-Katheter hat mir eine Menge Schmerz bereitet, gerne und ausgiebig auch beim Spazierenfahren mit dem Rollstuhl im Park. Jeder kleinste Huckel im Asphalt ging mir bis in die Haarspitzen und tat einfach nur höllisch weh! Irgendwann habe ich einer Schwester gesagt, sie soll mir endlich diesen vermaledeiten Katheter rausholen, sonst würde ich aus dem Fenster springen! »Das will ich aber sehen«, sagte Frau Unbarmherzig höhnisch. Ich habe dann ziemlich sauer zurückgeblafft: »Können Sie ja, Sie stehen ja in der ersten Reihe!« Ein Arzt kam daraufhin und erklärte mir, dass sich der Urin nicht in der Blase sammeln dürfe. Dann wäre die Infektionsgefahr zu hoch, und das wäre wiederum alles andere als gut. Ich versprach hoch und heilig, mich nicht zu infizieren. Ich hätte allerdings auch versprochen, einen weißen Hai per Hand mit Frolic zu füttern, wenn das einer verlangt hätte! Hauptsache, das Ding kam raus – was auch noch mal sehr unangenehm war und sich wie eine satte Blasenentzündung anfühlte.
    Als ich dann eines Tages im April endlich schlauchfrei und ohne Katheter war, fand ich dieses Gefühl jedenfalls ausgesprochen klasse! Endlich wieder richtig essen! Leider habe ich hauptsächlich das gegessen, was auf keinen Fall unter »richtiges Essen« firmiert: Haribo, Eis, jede Menge Schokolade. Da ich ein zu Extremen neigender Mensch bin, habe ich das Zeug praktisch in Anstaltsmengen zu mir genommen. Weil ich natürlich zum Ausgleich gar keinen Sport gemacht habe (witzig, ne?), sah ich bald so knuffig aus wie Bud Spencer im Neoprenanzug. Wie viele Kilos ich zugenommen habe? Keine Ahnung, das habe ich rein gedanklich storniert! Damit aber ein bisschen mehr Bewegung ins Spiel kam, hatte ich dann sehr häufig Physiotherapie. Ich lag ja mittlerweile auf Station 6, einer normalen Privatstation. Eine Therapeutin hieß Heidi und war sehr robust im Umgang mit meinem Körper, deswegen hatte sie von mir den Spitznamen »Eisen-Heidi« bekommen.
    Mein linkes Bein ist gelähmt, und ich kann die Zehen nicht bewegen. Um meine Nerven zu aktivieren, rammte Eisen-Heidi mir oft die linke Ferse auf den Boden. Das tat sehr weh, und ich

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