Ein Schnupfen hätte auch gereicht. Meine zweite Chance
2 – der Kultursender), wo ich dann meistens diesen schrecklichen Kuschelsong erwischt habe. Von diesem pikloppten Hasen, der seiner Möhre ein Lied singt. Das kann schon ein halbwegs vom Schlaganfall gemartertes Gehirn noch weiter ins Storno zurückdrängen. Schlimmer waren (wenn man da überhaupt noch von schlimmer reden kann! Gibt es eine wirkliche Steigerung von »Scheiße«?) da früher höchstens noch die nachgesungenen Hits von den Schlümpfen. »Valerie« von der wahnsinnigen Amy Winehouse kam auch oft, war aber nicht ganz so schlimm wie der wahnsinnige Kuschelsong. Vielleicht liegt es daran, dass der Wahnsinn von Amy ja selber erarbeitet worden ist, also im Suff praktisch! Was der hirnverbrannte Kuschelsong-Komponist sich alles reingepfiffen hatte, um so einen Wahnsinn zu kreieren, weiß ich nicht, aber es ist auf jeden Fall das falsche Zeug und viel zu viel davon!
Ich weiß nicht, ob ich schon erwähnt habe, dass mein Gesicht auch etwas deformiert aussah, weil ich ja den Schädelknochendeckel rausgenommen bekommen hatte, damit der Druck nicht so groß wurde auf das geschwollene Gehirn? Jedenfalls war ich etwas ängstlich angesichts der Tatsache, dass der »Deckel« wieder reimplantiert werden sollte. Schon wieder eine Operation! Ich war natürlich auch sehr begeistert über die Information, dass mein Schädeldeckel seit Monaten bei minus 40 Grad in der Tiefkühltruhe der Klinik lagerte. Die Mum und ich haben immer rumgeflachst, dass er wahrscheinlich direkt neben der Erbsensuppe in einem wunderhübschen rosa Tupperdöschen mit der Aufschrift »Kösters Deckel« eingefroren war! Deswegen hatte ich auch den Arzt gebeten, er sollte sich darum kümmern, dass das kostbare Teilchen auch vor der Verschraubung auf meinem Restschädel ordentlich auf Betriebstemperatur vorgeglüht würde, damit mein Hirn keine Gänsehaut bekommen würde! Außerdem machte ich natürlich noch den Vorschlag, stabile Dübel zu nehmen, damit mir irgendwann mal nicht beim Handstand der Deckel runterknallen würde! Der Herr Operateur war angesichts solch fachlich einwandfrei vorgetragener Vorschläge ähnlich amüsiert wie ich und versprach, auf den korrekten, bombenfesten Sitz meines Kopfdeckels besonders zu achten!
Anfang April kam ich also wieder in die Neurochirurgische Klinik in Merheim. Die Operation verlief aber völlig reibungslos. Ich weiß noch, dass ich aus der Narkose aufwachend ins Zimmer geschoben wurde und meine Mutter fragte, ob denn etwa schon alles vorbei wäre.
In der Narkose hat man wirklich ein sehr schlechtes Zeitgefühl, ist Ihnen das auch schon mal aufgefallen? Was mir außerdem noch aufgefallen war: Diesmal hatten die Ärzte mich nicht zugenäht, sondern zugetackert! Das fühlte sich alles sehr komisch an und sah auch – da ich wieder eine Glatze spendiert bekommen hatte – nicht gerade nach Vanity-Fair-Titelbild aus, sondern nach Frankensteins Braut, die einen frischen Kopfreißverschluss spendiert bekommen hat! Mein getackerter Kopf war zwar schnell verheilt, allerdings fühlte ich lange Zeit immer noch einen einsamen und übriggebliebenen Tacker am Hinterkopf. Bei der nächsten Visite fragte ich dann, was da los wäre. War da ein Praktikant im OP gewesen, der rumgenörgelt hatte » Menno, ich stehe hier nur die ganze Zeit dumm rum, ich will auch mal tackern«? Diese Vorstellung fand ich jedenfalls amüsanter als die Erklärung der Schwester, dass mit dem Teil irgendwelche Drainageschläuche befestigt worden waren. Der Transport von einer Klinik in die andere fand übrigens im Bett statt und war im wahrsten Sinne des Wortes wirklich »unterirdisch«, da die Kliniken über Gänge unter der Erde miteinander verbunden waren. Es hat dort gezogen wie Hechtsuppe, darum habe ich immer gesagt: »Wir fahren wieder mit der U-Bahn!« Interessant war auch immer »der Umzug« von einem Bett ins andere, denn dank einer Art Styropormatte mit Rutschfolienüberzug flutschte ich von einem Bett ins andere!
Natürlich war ich sehr froh, dass ich alles gut überstanden hatte, und nach ein paar Tagen kam ich auch wieder in mein altes Zimmer auf Station 6. Schnell nahm der für mich mittlerweile normale Reha-Alltag seinen Lauf: Therapie, Therapie, Therapie! Immer schön nach dem Motto: Ohne Fleiß keinen Preis. Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen. Frei nach Armstrong (Neil, nicht Lance!): Ein kleiner Schritt für die Menschheit, aber ein großes Problem für mich! Im Ernst, meine ersten Gehversuche waren wirklich ein
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