Ein Schnupfen hätte auch gereicht. Meine zweite Chance
äußerst langwieriges und schwieriges Unterfangen: Ich bekam eine Krücke und zwei Therapeuten. Einer an meinem Arm, der andere rollte auf einem kleinen Rollhocker neben mir und achtete darauf, dass sich meine Beine und Füße richtig hinstellten. Der ganze Bewegungsablauf ist immer noch unglaublich anstrengend, und fünf kleine Schritte fühlen sich an wie ein gesprinteter Halbmarathon …, aber es funktioniert. Man muss nur Geduld haben! Habe ich aber nicht. Übrigens auch nie gehabt. Und schon gar nicht, als ich noch gesund war. Wo sollte also jetzt die Geduld herkommen, die wird ja nicht mit der Krankheit mitgeliefert, frei nach dem Motto: »Ach, Sie hatten einen Schlaganfall? Da ist natürlich eine Engelsgeduld serienmäßig mit drin!« Ja sicher, sonst noch was?!
Geduld! Mein Motto für mein Leben vor diesem dämlichen Schlaganfall war eher von der Sorte: »Ich habe viel Geduld, wenn es nicht zu lange dauert!« Wenn es schnell geht, macht nix! Wobei das so natürlich auch nicht ganz wahr ist. Ich kann zum Beispiel voller Geduld drei Stunden lang telefonieren, wenn es sein muss. Oder einem guten Freund zuhören, wenn er Sorgen und Nöte hat. Aber das ist wohl eher Ausdauer und menschliche Fürsorge statt Geduld. Auch jetzt noch, nach zwei Jahren mit der Krankheit, bringt mich diese langatmige Verbesserung meines maladen Bewegungsapparats manchmal um mein seelisches Gleichgewicht. Damals nach den ersten zwei Monaten im Krankenhaus konnte ich es nicht schnell genug erwarten, mein geliebtes Haus und meine Tiere wiederzusehen. Aber erst im Frühling wurde von ärztlicher Seite dann endlich darüber nachgedacht, ob, wann und wie lange ich mal für ein paar Stunden nach Hause durfte. Was mich natürlich vor Freude fast erneut umgebracht hat! Endlich mal wieder die eigenen vier Wände sehen! Und endlich wieder meine heißgeliebten Hunde streicheln!
Herr Professor Rommel war dafür, für den Ausflug nach Hause einen Krankentransport zu ordern, weil ich ja noch nicht sicher ohne professionelle Hilfe laufen konnte! Haben wir natürlich dann auch gemacht: Ich wurde schön im Rolli abtransportiert und nach Hause geschiggert. Ich war natürlich völlig außer mir, weil ich endlich alle Hunde wiedergesehen habe. Die Tiere hatten mich so vermisst! Diese Wiedersehensfreude war Schokolade fürs Herz, wirklich wahr!
Ich habe es außerdem genossen, in Ruhe in meinem Büro zu sitzen und durch die Berge von Post mit Genesungswünschen zu stöbern. (Dazu später noch mehr!) Im Büro habe ich dann allerdings auch nach Zigaretten gesucht und endlich auch welche gefunden. Und geraucht, jawohl. Zum völligen Entsetzen meines Sohnes, der Ärzte, Pfleger und vieler Freunde habe ich wieder mit dem Rauchen angefangen. Ich habe vor dem Schlaganfall viel geraucht, und ich weiß, dass meine Blutgefäße von dem Nikotin schwer in Mitleidenschaft gezogen wurden. Aber: Ich rauche! Warum, wieso? Weil ich es so will. Ich bin nach wie vor in vielen Belangen fremdbestimmt, und das kann ich wenigstens alleine! Mein Sohn Donald ist verzweifelt darüber, und das kann ich auch gut verstehen, aber ich kann es einfach nicht lassen, ich will einfach rauchen. Wie alle Süchtigen habe ich mir natürlich auch meine Ausreden und Rechtfertigungen fein zurechtgelegt, aber eigentlich will ich hier niemandem irgendeinen Unsinn erzählen. Deswegen noch einmal: Ich rauche, weil ich es im Augenblick so will. Weil ich auch vielleicht tief im Innern mit dem Feuer spielen will. Sie kennen ja den Spruch: »Rauchen kann Ihre Gesundheit gefährden.« Aha. Welche Gesundheit? Meine Gesundheit ist sowieso nicht gesund. Ich könnte sterben, klar. Also – noch schneller sterben. Aber davor, Freunde der Thanatologie, habe ich auch keine Angst mehr. Denn ich war ja praktisch schon mal tot!
Wir sollten nicht immer soviel Wind um unser kleines, bescheidenes Leben machen. Millionen leben so gesund, dass es mir schon fast wieder weh tut: Malochen, joggen, Muckibude, immer auf den Body achten! Proteindiät, Weight Watchers, Trennkost und die nicht tot zu kriegende Brigitte-Diät! Haben Sie mal einen Jogger gesehen, der glücklich aussieht? Ich sehe nur immer schweißgetränkte, verzerrte Gesichter von Menschen, die mir hinterher erzählen, sie wären ab einem gewissen Zeitpunkt »wie in Trance« gelaufen, wie im Rausch. Vielleicht wären da ein Cocktail und eine Kippe doch mal ab und zu eine bessere Alternative für Rausch und Trance? Jaja, schon gut. Jeder nach seiner Façon.
Weitere Kostenlose Bücher