Ein Schnupfen hätte auch gereicht. Meine zweite Chance
seriösen Medien zusammenzuarbeiten, und ich hoffe sehr, dass ich das im Interesse meiner nichtprominenten Mitpatienten auch wirklich hinbekomme. Es gibt ja Talkshows, die sich wirklich um den »Menschen« drehen und die mehr erfahren wollen als das übliche »Du hast da gerade einen interessanten Film gemacht!«. Ich erinnere mich zum Beispiel an eine Sendung von Sandra Maischberger, die sich mit dem Thema Krebs und Schlaganfall auseinandersetzte. Dort war auch Peer Augustinski zu sehen, ein sehr sympathischer Kollege, der auch tapfer und erfolgreich gegen die Folgen seines Schlaganfalls kämpft. Und der beeindruckend offen und ehrlich über die Hoffnungen und Rückschläge im Alltag eines Rehapatienten berichtete. Kranke Prominente werden gerne von den Boulevardmedien auf die Mitleidsmasche reduziert. Daher ist es meiner Meinung nach sehr wichtig, dass wir uns mit den Vertretern der verantwortungsvollen Presse bemühen, ein realistisches Porträt zu gestalten, mit dem nicht nur die Kranken, sondern auch die Betroffenen im Umkreis etwas anfangen können. Denn es ist so gut zu wissen, dass man mit seinen Problemen nicht alleine ist. Oder man wertvolle Tipps für Reha und Alltag bekommt. Erfahrungswerte austauschen kann. Ich hoffe, dass ich das mit einigen Vertretern der Medienwelt hinbekommen werde.
Freunde
In diesem Beruf ist es nicht sehr schwer, einen großen Haufen Freunde zu haben. Was natürlich völliger Blödsinn ist oder eine falsche Definition des Wortes »Freund«. Was sagt denn das Lexikon dazu? »Ein sehr nahestehender Mensch, für den man freundschaftliche und kameradschaftliche Gefühle entwickelt hat.« Aha. Da fallen unsere ersten Kandidaten ja schon mal durch das Raster. Aber im Ernst: Ich habe oft tagelang im Krankenhaus darüber nachgedacht, wer meine Freunde sind und was ich überhaupt unter Freundschaft verstehe? Muss ich jemanden, den ich »als Mensch« mag, täglich sehen oder zum mindesten oft, damit ich ihn als Freund bezeichnen kann?
Ich habe einmal vor der Kliniktür auf die Mum gewartet, und plötzlich stand diese fremde Frau wie aus dem Nichts kommend vor mir und sagte mir: »Sie sind doch so berühmt und immer so alleine!« Das hat mich fast umgehauen und mich auch sehr sprachlos gemacht. Und wenn ich eines eigentlich nicht bin, dann ist es »sprachlos« sein. Ich habe diese Frau auch komischerweise nie wiedergesehen, obwohl ich das Gefühl hatte, sie schon öfter in der Klinik, im Garten oder im Klinikcafé gesehen zu haben. Mysteriös, das! Vielleicht habe ich mir das auch nur eingebildet?
Aber ich war natürlich auch in erster Linie sprachlos, weil ich mir so ertappt, so entlarvt vorkam! Was natürlich auch wiederum Quatsch war, denn natürlich war ich nicht immer so alleine. Das kommt einem nur so vor, weil man in dieser verfluchten Klinik ist. Wenn Sie alleine im Krankenhaus liegen, dann haben Sie auf einmal nur noch wenige Freunde, wenn Sie als Hauptkriterium zum Beispiel »Besuch« auswählen! Das ist aber auf den zweiten Blick meiner Ansicht nach sehr logisch! Als ob man gesund und »zu Hause« mehr Besuch hätte! Natürlich nicht! Dazu müsste man ja in unserem Beruf erst einmal auch viel mehr zu Hause sein, so sieht es doch mal aus! Denn auch gesund habe ich einige Freunde nicht öfter getroffen als dreimal pro Jahr, weil es einfach nicht öfter geklappt hat oder aber auch völlig ausreichend war. Ich bitte Sie, das kennt doch jeder: Es gibt Freunde, die sieht man fast alle drei Tage und telefoniert sogar täglich mit ihnen. Und es gibt gute Freunde, die man gerade mal mit Ach und Krach dreimal pro Jahr sieht, was sie ja aber eben nicht gleich automatisch zu Freunden zweiter Klasse macht!
Meine Freundin Uschi war wochenlang jeden verdammten Tag bei mir in der Klinik, als ich noch auf der Intensivstation gelegen bin. Jetzt sollten Sie, lieber Leser, auch noch wissen, dass Uschi nicht nur jeden Tag da war, sondern dass sie da war, obwohl sie noch jeden Tag als Leiterin einer Kindestagesstätte und Ehefrau und Mutter ihre Frau zu stehen hatte. Unglaublich. Vielen Dank, liebe Uschi. Sie hat mir sogar ihre Gedanken in Briefform in ein Buch geschrieben, damit wir uns eines Tages an all den ganzen Driss und die Verzweiflung erinnern könnten! Denn der ärgste Feind der Erinnerung ist das Vergessen. Das Vergessen, wie schlecht es einem gegangen ist. Manchmal denke ich, ich hätte seit dem Anfall kaum Fortschritte gemacht und all diese endlosen Rehatherapien hätten nix gebracht
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