Ein schöner Ort zu sterben
auch jetzt die kornblumenblauen Augen des Constables wieder mit Tränen.
»Am Fluss. Auf dem Pfad, der in den Busch führt.«
Emmanuel bereute inzwischen, dass er die Pretorius-Burschen daran gehindert hatte, Hansie ordentlich zu verdreschen. Der beschränkte Polizist hätte es mehr als verdient gehabt.
»Meinen Sie das Ufer, an dem der Captain gefunden wurde?«
»Ja.« Tränen rollten dem Constable übers Gesicht und tropften auf seine gestärkte Uniform. Heute Abend würde seine Mutter den Stoff mit Fleckenwasser bearbeiten müssen.
»Die Kette lag also auf dem Pfad, über den die beiden Jungen zurück zur Location gelaufen sind?« Es war zwar offensichtlich, aber Emmanuel fragte trotzdem noch einmal nach, auch wenn es ihn nur davon abhielt, seine Finger in Hansies Schulter zu krallen. Wusste die Regierung der National Party etwa nicht, dass man die Uniform ebenso gut einem Affen hätte umhängen können wie so einem Jungen?
»Ja, auf dem Pfad.«
»Warum haben Sie mich nicht gerufen, damit ich mir diesen ungewöhnlichen Fund anschauen konnte?«
»Na ja …« Hansie kaute auf den Fingernägeln und dachte angestrengt über die Frage nach. »Eine Kette für eine Frau hat ja nichts damit zu tun, dass der Captain gestorben ist. Ich meine … das hätte ja bedeutet, dass eine Frau bei ihm war … und … da war aber keine Frau bei ihm … weil … so einer war der Captain nicht.«
»Hepple!« Emmanuel nahm die Hand von der Schulter des Jungen und kramte in seiner Jackentasche nach dem Autoschlüssel. »Diese Kette ist ein Beweisstück. Sie haben bis heute Nachmittag Zeit, um sie Ihrer Freundin wieder abzunehmen und mir auszuhändigen, verstanden?«
»Aber … sie … sie findet sie ganz toll.«
»Bis heute Nachmittag«, wiederholte Emmanuel und marschierte zu seinem auf der Hauptstraße geparkten Packard. Er wusste jetzt, was Shabalala verbarg. Und er wusste auch, warum der Zulu-Polizist seinen Jugendfreund Willem Pretorius schützte.
Emmanuel lief durch das Labyrinth baufälliger Behausungen und suchte nach einer rosafarbenen Tür, an der er angeblich das Haus des Zulu-Constables erkennen würde. Er klopfte zweimal. Die Tür ging auf, und Shabalala sah ihn überrascht an.
»Eine Frau war bei ihm«, sagte Emmanuel. »An dem Abend, als er am Flussufer erschossen wurde, war eine Frau bei ihm.«
Shabalala trat zurück in sein Wohnzimmer. »Es hatte geregnet und viele Spuren …«
»Erzählen Sie mir keinen Blödsinn! Den kaufe ich Ihnen nicht mehr ab. Sie sind Fährtensucher. Sie wussten, dass Pretorius an diesem Abend nicht allein war.«
Der Zulu-Shangani versuchte etwas zu sagen, brachte aber nichts heraus und griff stattdessen in seine Overalltasche. Er zog einen unbeschrifteten Umschlag hervor und reichte ihn Emmanuel wortlos.
»Was ist das?«
»Lesen Sie das bitte, Nkosana.«
Emmanuel riss den Umschlag auf und zog ein gefaltetes, liniertes Blatt heraus, auf dem zwei Sätze standen.
Emmanuel las laut vor: »Der Captain hatte eine Nebenfrau. Die Nebenfrau war mit ihm am Fluss, als er gestorben ist.«
»Sie waren es also, der mich zu Kings Farm geschickt hat«, staunte Emmanuel. Er erkannte die Handschrift wieder. Auf einmal passte alles zusammen. Derjenige, der den Zettel hinterlassen hatte, war schneller gelaufen, als Emmanuel je einen Menschen hatte laufen sehen. So unbarmherzig schnell, dass er selbst draußen im Busch keuchend hatte aufgeben müssen. Captain Pretorius und Shabalala hatten früher die Herzen der Alten angerührt, als sie, ohne zu verschnaufen und ohne zu trinken, von einem Ende der Farm bis zum anderen gelaufen waren. Wie so viele Weiße, dachte Emmanuel, bin ich von einem Krieger der Zulu Impi besiegt worden.
»Was ist in dieser Nacht am Ufer passiert? Ich werde es weder der Familie Pretorius noch den anderen Polizisten weitersagen. Also los, erzählen Sie schon!«
Shabalala sah weg, so als könne er es nicht über sich bringen, das auszusprechen, was er so lange verborgen gehalten hatte.
»Der Captain und seine Nebenfrau waren zusammen auf der Decke. Der Captain wurde getroffen und fiel nach vorne. Die Nebenfrau hat sich dann unter ihm hervorgewunden und ist über den Sand bis auf den Pfad gelaufen. Danach hat der Mann den Captain ins Wasser gezogen. Das ist alles, was ich weiß.«
»Du lieber Himmel! Mensch, warum haben Sie mir das nicht sofort erzählt?«
»Wegen der Söhne des Captains. Die würden solche Sachen ungern hören. Keiner von den Afrikaandern würde diese
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