Ein schöner Ort zu sterben
Geschichte gern hören.«
Die Pretorius-Brüder waren in Jacob’s Rest inoffiziell das Gesetz. Anton mit seiner ausgebrannten Werkstatt war nur ein Beispiel dafür, auf welche Willkür man gefasst sein musste, wenn man dieses Gesetz übertrat. Welche Chance sollte da ein einfacher schwarzer Polizist gegen den mächtigen Arm der Familie Pretorius haben?
»Ich verstehe«, sagte Emmanuel.
Shabalala musste in Jacob’s Rest leben. Anonyme Zettel zu schreiben war für ihn die einfachste Methode, die Ermittlungen voranzutreiben, ohne Schwierigkeiten zu bekommen. Für alle Beteiligten war es besser und weniger gefährlich, wenn ein weißer Detective von auswärts die Wahrheit über den Captain herausfand.
»Kommen Sie bitte, Sergeant.« Der Zulu-Constable ging in den hinteren Teil des Hauses voraus.
Emmanuel folgte Shabalala durch das aufgeräumte Wohnzimmer in die Küche. Erst jetzt bemerkte er eine schwarze Frau, die am Tisch stand. Sie sah mit besorgter Miene auf, sagte aber nichts.
Shabalala führte Emmanuel durch die Hintertür hinaus. Draußen setzten sie sich gegenüber an einen kleinen Kartentisch. Im Hof hinter Shabalalas Haus befanden sich ein Hühnerstall und ein traditioneller Kraal, in dem man über Nacht Tiere einsperren konnte. Hinter dem Kraal fiel das Gelände bis zum Ufer eines sich dahinwindenden Baches ab.
Beide Männer blickten beim Sprechen hinaus auf die weiten Berge. Captain Pretorius bloßzustellen war eine zu unangenehme Aufgabe, als dass sie sich dabei hätten in die Augen sehen können.
»Wissen Sie, wer die Frau ist?«
»Nein.« Shabalala räusperte sich. »Der Captain hat mir zwar gesagt, dass er eine Nebenfrau hatte, aber nicht, wer sie war.«
Emmanuel lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. Es reichte ihm langsam mit der Geheimniskrämerei des Captains. Warum prahlte er nicht einfach mit seinen Eroberungen wie jeder normale Mann?
»Was hat er Ihnen über seine Freundin erzählt?«
»Er sagte, er habe sich unter den Farbigen eine Nebenfrau gesucht. Diese Nebenfrau gab ihm … ähm …« Die Pause wurde länger und länger, während Shabalala nach möglichst höflichen Worten für das suchte, was der Captain ihm erzählt hatte.
»Vergnügen? Macht?«
»Kraft. Die Nebenfrau gab ihm neue Kraft.«
»Warum nennen Sie sie Nebenfrau?« Emmanuel hatte die Fotos gesehen, und rein gar nichts darauf hätte seine eigene Exfrau Angela gutgeheißen.
»Sie war seine richtige Nebenfrau«, erklärte Shabalala. »Der Captain hat für sie Lobola bezahlt, wie es der Brauch ist.«
»Wem hat er den Brautpreis bezahlt?«
»Ihrem Vater.«
»Sie wollen mir weismachen, dass ein Mann – noch dazu ein Farbiger – sich bereit erklärt hat, seine Tochter gegen ein paar Stück Vieh einzutauschen?« Emmanuel beugte sich zu Shabalala vor. Glaubte der Zulu-Polizist diese haarsträubende Geschichte wirklich?
»Der Captain hat mir erzählt, dass er es gemacht hat. Er hat sich an die alten Bräuche gehalten. Er konnte sich keine Nebenfrau nehmen, ohne zuerst Lobola für sie zu bezahlen. Das glaube ich ihm.«
»Na schön. Ich bin sicher, die weiße Mrs. Pretorius wird hocherfreut sein, wenn sie erfährt, dass ihr Mann sich an die alten Bräuche gehalten hat.«
»Nein«, antwortete Shabalala todernst. »Das würde der Missus nicht gefallen.«
Von einem abgelegenen Feld trug der Wind den Gesang einer Frau heran. Vor ihnen breitete sich bis hinauf in die fernen Berge das Grasland aus. Dies hier war das eine Afrika, bewohnt von schwarzen Männern und Frauen, welche die alte Lebensweise verstanden und achteten. Fünf Meilen weiter südlich in Jacob’s Rest gab es parallel dazu ein anderes Afrika. Wie hatte Willem Pretorius glauben können, dass er in beiden Afrikas gleichzeitig leben konnte?
»Wir müssen diese Frau finden.« Emmanuel zog den Kalender aus Mosambik aus der Tasche und legte ihn zwischen sich und Shabalala auf den kleinen Tisch. Jetzt war keine Zeit mehr für Geheimnisse. »Sie war die Letzte, die Pretorius lebend gesehen hat. Und vielleicht kann sie uns sagen, was sie an diesen bestimmten Tagen hier gemacht hat.«
Shabalala musterte den Kalender. »Am Montag und Dienstag vor seinem Tod war der Captain in Mooihoek, aber an den anderen Tagen hat er die Stadt nicht verlassen.«
»Was bedeuten Ihrer Meinung nach diese Markierungen? Ist er jeden Monat ein paar Tage fort gewesen?«
»Nein. Er fuhr nach Mooihoek, um Vorräte für die Wache zu kaufen, und manchmal mit seiner Familie nach Mosambik
Weitere Kostenlose Bücher