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Ein schöner Ort zu sterben

Ein schöner Ort zu sterben

Titel: Ein schöner Ort zu sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malla Nunn
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Ich bin ein Polizist aus Jo’burg. Ihr seid zwei tapfere Jungs. Könnt Ihr mir erzählen, was passiert ist?«
    Butana hob die Hand und wartete darauf, dass man ihn dran nahm.
    »Yebo?«, bat Emmanuel ihn.
    »Bitte, Baas.« Butanas Finger bohrte sich durch ein Loch in seiner Hemdbrust. »Wir sind zum Angeln hergekommen.«
    »Von wo seid ihr gekommen?«
    »Vom Haus unserer Mutter in der Location«, sagte der Ältere. »Wir sind im Dunkeln gekommen, weil Baas Voster nicht will, dass wir hier angeln.«
    »Voster sagt, die Einheimischen wildern die Fische«, meldete sich Hansie, während er sich ebenfalls hinhockte, um näher am Geschehen zu sein.
    Emmanuel ignorierte ihn. »Wie seid ihr zum Fluss gekommen?«, fragte er.
    »Über den Weg da.« An der Decke und der Laterne im Sand vorbei deutete Vusi auf einen schmalen Trampelpfad, der im üppigen Busch verschwand.
    »Als wir hier ankamen, haben wir gesehen, dass da ein Weißer im Wasser lag«, ergänzte Butana. »Es war Captain Pretorius. Tot.«
    »Und was habt ihr dann gemacht?«, fragte Emanuel weiter.
    »Wir sind weggerannt.« Vusi fuhr mit einer Handfläche über die andere und erzeugte ein sausendes Geräusch. »Ganz schnell. Ohne anzuhalten.«
    »Nach Hause?«
    »Nein, Baas.« Vusi schüttelte den Kopf. »Wir sind bis zum Haus des Polizisten gelaufen und haben ihm erzählt, was wir gesehen hatten.«
    »Um wie viel Uhr?« Emmanuel wandte sich Shabalala zu.
    »Es war nach sechs Uhr morgens«, antwortete der schwarze Polizist.
    »Die wissen einfach, wie spät es ist«, half Hansie eilfertig aus. »Uhren wie unsereiner brauchen die nicht.«
    Die Schwarzen in Südafrika brauchten ja so wenig. Und jeden Tag noch ein bisschen weniger, das war die allgemeine Devise. Als Kriminalbeamter gehörte Emmanuel zu den wenigen, die nicht der gängigen Regel unterworfen waren, jegliche Kontakte zu Angehörigen anderer Rassen zu meiden. Kriminalbeamte fanden heraus, was passiert war, schrieben einen Bericht und sagten vor Gericht aus, um die Anklage zu untermauern. Ob Weißer, Schwarzer, Farbiger oder Inder – Mord war ein Kapitalverbrechen, da spielte die Rasse des Beschuldigten keinerlei Rolle.
    Emmanuel wandte sich an den älteren der beiden Jungen. »Als ihr heute Morgen hier hinunter zum Fluss gekommen seid, hast du da etwas Außergewöhnliches gesehen oder gehört?«
    Vusi antwortete: »Na ja, außergewöhnlich war, dass da die Leiche vom Captain im Wasser lag.«
    »Und du?«, fragte Emmanuel den Jüngeren. »Ist dir vielleicht etwas aufgefallen, das anders war als sonst? Außer dem Captain im Wasser?«
    »Nein, nichts«, antwortete der kleine Bruder.
    »Als ihr den Toten entdeckt habt, musstet ihr da an jemanden denken, den ihr kennt und der Captain Pretorius wehgetan haben könnte?«
    Angestrengt rissen die beiden Brüder ihre braunen Augen auf und dachten eine Weile über die Frage nach. Dann schüttelte Vusi den Kopf.
    »Nein, ich habe nur gedacht, heute ist wohl kein so guter Tag für’s Angeln.«
    Emmanuel lächelte.
    »Es war genau richtig, dass ihr beide Constable Shabalala erzählt habt, was ihr gesehen hattet. Aus euch werden bestimmt mal gute Polizisten.«
    Vusi warf sich stolz in die Brust, aber sein jüngerer Bruder fing an zu weinen.
    »Was hast du denn?«, fragte Emmanuel.
    »Ich will aber gar kein Polizist werden, Nkosana«, antwortete der Junge. »Ich will Lehrer werden.«
    Endlich hatte das Entsetzen über die Entdeckung einer Leiche den kleinen Zeugen eingeholt. Shabalala legte dem weinenden Jungen eine Hand auf die Schulter und wartete mit einem fragenden Blick auf Emmanuels Zeichen, dass er die beiden gehen lassen konnte.
    »Wenn du Lehrer werden willst, dann musst du zuerst in die Schule gehen«, sagte der schwarze Polizist und winkte einem der Landarbeiter zu, die auf der Anhöhe standen. »Musa bringt euch jetzt nach Hause.«
    Emmanuel stand auf und sah Shabalala hinterher, der die Jungen an den Pretorius-Brüdern vorbei zu einem Mann führte, der oben auf dem Pfad stand und die beiden zu sich herüber winkte.
    Emmanuel wandte sich um und betrachtete das Flussufer. Nur üppiges, frühlingsgrünes Buschland und weiter Himmel, wohin er auch sah. Er zog sein Notizbuch hervor und schrieb das Wort »erhebend« hinein, weil ihm dies bei der Betrachtung des Tatorts und seiner Umgebung als Erstes einfiel.
    Kurz nachdem er die Decke ausgebreitet und die Laterne angezündet hatte, musste es einen Moment gegeben haben, in dem der Captain über den Fluss geschaut

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