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Ein schöner Ort zu sterben

Ein schöner Ort zu sterben

Titel: Ein schöner Ort zu sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malla Nunn
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Emmanuel.
    Der schwarze Polizist schüttelte den Kopf. »Als ich hier ankam, waren schon die Hirtenjungen mit ihren Ochsen zum Tränken dagewesen. Falls es Spuren gegeben haben sollte, sind sie jetzt weg.«
    »Sergeant.« Hansie kam auf sie zugerannt, sein Gesicht war puterrot vor Anstrengung.
    »Was gefunden?«
    »Nur Sand, Sergeant.«
    An den Pretorius-Brüdern vorbei blickte Emmanuel auf die im Fluss treibende Leiche. Sanft wie Sprühnebel hatte ein Frühlingsregen eingesetzt.
    »Lassen Sie uns den Captain bergen«, sagte Emmanuel.
    »Yebo.«
    Er sah einen Anflug von Traurigkeit über das Gesicht des Schwarzen huschen, doch schon im nächsten Moment war sie wieder verschwunden.

2
    Der Kaffee war heiß und schwarz und mit einem ordentlichen Schuss Brandy versetzt, der ausreichte, den Schmerz in Emmanuels Muskeln zu betäuben. Eine volle Stunde hatte es die Männer gekostet, den Captain vom Flussufer zu bergen. Jetzt saßen sie wieder in ihren Autos, die Schultern und Beine zitterten vor Erschöpfung. Den Captain vom Tatort wegzuschaffen war kaum einfacher gewesen, als einen Sherman-Panzer aus einem Schlammloch zu ziehen.
    »Koeksister?«, fragte die Frau des alten Voster, eine froschgesichtige Frau mit lichtem grauem Haar.
    »Danke.« Emmanuel nahm sich eines der klebrigen Kuchenstücke und lehnte sich an den Packard.
    Er beobachtete die Ansammlung von Menschen und Fahrzeugen um sich herum. Zwei schwarze Mägde gossen frischen Kaffee aus und verteilten trockene Handtücher, während eine Gruppe Landarbeiter ein Feuer für heißes Wasser und heiße Milch schürte. Der im Rollstuhl sitzende Voster und seine übrige Familie, ein Sohn und zwei Töchter, waren mit den Pretorius-Brüdern in ein Gespräch vertieft, während zu ihren Füßen eine Rotte drahtiger rhodesischer Ridgeback-Hunde am Boden schnüffelte. Lärmende schwarze und weiße Kinder rannten gemeinsam zwischen den Wagen hin und her und spielten Verstecken. Der Captain lag, eingewickelt in saubere weiße Laken, im Fond eines Polizei-Trucks.
    Emmanuel kippte den letzten Schluck Kaffee hinunter und ging zu den Pretorius-Brüdern hinüber. Die Ermittlungen mussten schnell in Gang kommen. Alles, was sie bislang hatten, waren eine Leiche und ein Mörder, der frei in Mosambik herumlief.
    »Zeit zum Aufbrechen«, sagte Emmanuel. »Wir bringen den Captain jetzt ins Krankenhaus, damit der Arzt ihn sich anschauen kann.«
    »Wir bringen ihn nach Hause«, widersprach Henrick. »Meine Ma hat lange genug darauf gewartet, ihn zu sehen.«
    Die drei Brüder starrten Emmanuel an. Er spürte ihre Entschlossenheit, doch er hielt ihren Blicken stand und ließ die vom Alkohol und der Erschöpfung noch weiter befeuerte Anspannung und Wut an sich abprallen.
    »Wir brauchen ein medizinisches Gutachten über den Zeitpunkt und die Ursache des Todes. Und einen unterschriebenen Totenschein. Das ist die übliche Polizeiroutine.«
    »Verdammt, sind Sie denn blind und taub?«, fuhr Erich ihn an. »Brauchen Sie etwa einen Arzt, um zu erkennen, dass er erschossen wurde? Was für ein Detective sind Sie eigentlich, Detective?«
    »Ich bin die Art von Detective, die Fälle löst, Erich. Deshalb hat Major van Niekerk auch mich geschickt. Wäre es Ihnen lieber, wenn wir es ihm selbst überlassen?«
    Emmanuel trat ans Feuer, wo Hansie im Schneidersitz saß, mit einem Teller Koeksisters im Schoß. Während er sich ein neues Stück aussuchte, summte er leise vor sich hin. Er war restlos zufrieden.
    »Wir lassen nicht zu, dass ein Doktor unseren Vater wie ein Stück Vieh aufschneidet«, erklärte Henrick. »Auch wenn seine Seele seinen Körper verlassen hat, ist er trotzdem noch ein Geschöpf Gottes. Pa hätte dem nie zugestimmt, und wir tun es auch nicht.«
    Also nicht nur echte Afrikaander, sondern auch noch fromm. Schon an weit Geringerem hatten sich Kriege entzündet. Die Pretorius-Brüder würden ihren Glauben notfalls auch mit der Waffe verteidigen. Jetzt war Vorsicht geboten. Emmanuel war hier draußen ohne Kollegen ganz auf sich allein gestellt. Es war immer noch besser, die Leiche ein bisschen untersuchen lassen zu können als gar nicht.
    »Keine Autopsie«, versprach er. »Nur eine Leichenschau, um Ursache und Zeitpunkt des Todes zu bestimmen. Damit wäre der Captain bestimmt einverstanden gewesen, da bin ich mir sicher.«
    »Na gut«, erwiderte Erich, und seine Aggressivität ebbte ab.
    Emmanuel fügte hinzu: »Sagen Sie Ihrer Ma, dass wir ihn so bald wie möglich nach Hause bringen.

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