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Ein schöner Ort zu sterben

Ein schöner Ort zu sterben

Titel: Ein schöner Ort zu sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malla Nunn
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einer von denen sich davongeschlichen und ihn bis zur Hütte verfolgt? Unmöglich, das herauszufinden.
    Emmanuel trat wieder an das Versteck heran und öffnete den verriegelten Deckel. Er würde Lieutenant Piet Lapping Bericht erstatten und ihm die Wahrheit sagen: dass der Besuch auf Kings Farm nichts erbracht hatte. Emmanuel streckte die Hand in das Versteck, um sein Jackett wieder hervorholen. Seine Finger berührten den zerknitterten Stoff und noch etwas anderes.
    »Nanu?«
    »Was ist das?«
    Er warf sein Jackett beiseite und musterte den quadratischen Karton. Es war ein Wandkalender mit Monatsblättern zum Abreißen. Mit einem roten Stift hatte jemand die Tage vom 14. bis 18. August markiert. Der 18. war kräftig umkringelt.
    »Zwei Tage, bevor er ermordet wurde«, sagte Emmanuel, während seine Finger rasch die übrigen Monate durchblätterten. Auf jeder Seite dasselbe. Fünf bis sechs Tage waren rot markiert, der letzte jeweils besonders kräftig. Emmanuel überprüfte noch einmal die Daten. Das Muster war klar, aber der stark umkringelte Tag konnte alles Mögliche bedeuten.
    »Fotoatelier Carlos Fernandez, Lorenzo Marques«, las Emmanuel laut vor. Der Name war unter einem Foto eingedruckt, das fröhliche Eingeborene zeigte, die Weißen am Strand billigen Schmuck verkauften. Donny Rooke hatte man dabei erwischt, wie er pornographische Bilder aus Mosambik über die Grenze geschmuggelt hatte. Hatte der Captain am Ende Donnys Fleischbeschau-Geschäft übernommen?
    »Ist Captain Pretorius oft nach Lorenzo Marques gefahren?«
    »Das machen alle hier«, antwortete Davida. »Sogar meine Leute.«
    »Wie weit ist es bis dahin?«
    »Mit dem Auto weniger als drei Stunden.«
    Die rot markierten Tage konnten auch Abhol- oder Liefertage für irgendwelche andere Schmuggelware sein. Als Polizist kam man leicht über die Grenze. Durch den Fluss waten mussten nur Kriminelle und Eingeborene. Ein hochrangiger Kriminalbeamter konnte Güter ganz komfortabel schmuggeln.
    »Wie oft ist der Captain rübergefahren? Einmal im Monat oder so?«
    »Das weiß ich nicht«, antwortete Davida. »Was die Holländer machen, ist deren Angelegenheit. Da müssten Sie schon Mrs. Pretorius oder ihre Söhne fragen.«
    Emmanuel rieb sich die malträtierten Fingerknöchel. Die rot markierten Tage leuchteten ihn geradezu hypnotisch an. Sollte er diese wichtige Information an Lieutenant Piet Lapping weitergeben, der ihm doch klipp und klar zu verstehen gegeben hatte, dass etwaige »persönliche Motive« ihn nicht interessierten? Vielleicht würde der Kalender einfach nur in irgendeiner Schublade verschwinden, weil er nicht zu den politischen Motiven passte, nach denen die Geheimpolizei suchte.
    »Können Sie ein Geheimnis bewahren, Davida?«
    »Ahm …« Man hörte förmlich, wie sie vor Angst zitterte.
    Emmanuel wandte sich zu ihr um. Ihr Hals und ihr Gesicht waren rot und ließen ihre dunkle Haut leuchten. Sich jemals als eine Weiße auszugeben würde der scheuen braunen Maus jedenfalls nicht gelingen.
    »Nicht die Sorte Geheimnis«, beruhigte er sie. »Sie sollen nur keinem von heute erzählen. Nichts von mir, nichts von dem geheimen Versteck und nichts von dem Kalender. Haben Sie verstanden?«
    Die junge Frau nickte.
    »Sie müssen mir ins Gesicht sehen und mir versprechen, dass Sie es keinem erzählen.«
    Sie hob den Kopf und blickte ihn kurz an. »Ich verspreche es.«
    »Nicht mal Ihrer Mutter, Davida. In Ordnung?«
    »Nicht mal meiner Mutter.« Sie wiederholte den Satz wie ein braves Kind, das man gerade in dunkle Familiengeheimnisse eingeweiht hatte.
    »Gut«, sagte Emmanuel und fragte sich, wie viele Weiße ihr wohl schon ein solches Versprechen abgerungen hatten, wenn der Schweiß erst getrocknet und der drohende Schatten der Polizei über ihnen aufgeragt war. Selbst dass er sie mit ihrem Vornamen ansprach, kam ihm schon vor, als hätte er eine Demarkationslinie überschritten.
    Emmanuel verschloss das Versteck und legte das Kuhfell zurück an seinen ursprünglichen Platz, dann bezog er wieder das Bett. Er faltete den Kalender zusammen und steckte ihn in seine Jackentasche. Die scheue braune Maus war eine ideale Komplizin, fand er, während er durch die niedrige Lücke im Zaun schlüpfte und mit ihr das Gelände verließ. Falls er beschloss, den Kalender für sich zu behalten, würde die Geheimpolizei an ihr jedenfalls nicht das geringste Interesse zeigen.
    Emmanuel trat hinaus und entdeckte, dass neben seiner Limousine ein reinrassig

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