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Ein schöner Ort zu sterben

Ein schöner Ort zu sterben

Titel: Ein schöner Ort zu sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malla Nunn
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aussehender Rappe angebunden war. Wie angewurzelt blieb er stehen. Dieser Hengst da, der nur aus glänzendem Fell und sich darunter abzeichnenden Muskeln zu bestehen schien, würde jedenfalls so bald keine Leimfabrik von innen sehen.
    »Gehört der Ihnen?«
    »Nein.« Sie errötete. »Ich reite ihn für Mr. King aus.«
    »Ach so.« Das erklärte natürlich dieses merkwürdige Gespann. In Kings Welt war die ermüdende Pflege von Haus und Hof selbstredend Sache der Bediensteten. Letztlich hatten die Reichen doch überall auf der Welt dieselben Gewohnheiten.
    Emmanuel kramte die Wagenschlüssel aus der Jackentasche. »Vergessen Sie auch nicht, was wir besprochen haben?«
    »Natürlich nicht.« Davida sah ihm in die Augen und ließ ihn die Macht spüren, die er über sie hatte. »Ich erzähle es niemandem, Detective Sergeant. Versprochen.«
    Sein Verlangen, ihr über die feuchten Haare zu streicheln und sie »braves Mädchen« zu nennen, war so stark, dass er sich ohne ein weiteres Wort umdrehte und zum Wagen marschierte. Wenn er sich nicht vorsah, wurde aus ihm am Ende noch die ausgewachsene Version von Constable Hansie Hepple: ein aufgeblasener Tyrann, der sich an der Macht berauschte, die die National Party den weißen Polizisten verliehen hatte.
    Emmanuel setzte sich wieder in den Wagen und schloss die Augen. Er brauchte einen Moment, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen, bevor er nach Jacob’s Rest zurückfuhr und dem Lieutenant Bericht erstattete.
    »Hat sich doch gut angefühlt, oder?« Der Sergeant Major war wieder da. Wie aus dem Nichts. »Könnte man sich glatt dran gewöhnen. Sogar regelrecht drauf stehen.«
    Emmanuel machte die Augen auf und starrte durch die dreckbespritzte Windschutzscheibe. Wie ein weiches rotes Band wand sich die Piste bis zum Horizont. Über ihm zogen sich dunkle Wolken zusammen, die zweifellos den Flüssen und Wildblumen ihren Regen spenden würden. Er ließ die Landschaft auf sich wirken und spürte ihr wogendes Auf und Ab in sich.
    »So läuft das nicht, Jungchen. Keiner ignoriert mich, verstanden?«
    »Verschwinde«, sagte Emmanuel und ließ den Motor an, um die Stimme zu verscheuchen. Er fuhr bis zur Piste, die zu Kings Farm führte, und bog dann nach links auf die Teerstraße ab. Nur Gott wusste, was für ein Pulver er da in der Hütte geschluckt hatte.
    »Ich brauche keine Scheiß-Medizin, um dich an den Kanthaken zu nehmen, Soldat. Wenn du mich loswerden willst, musst du dir schon den Kopf absäbeln, weil ich da nämlich hause. Da oben drin.«
    »Was willst du?« Emmanuel konnte es selbst nicht fassen, dass er geantwortet hatte. Dabei vermoderte der Sergeant Major wahrscheinlich längst mit Haut und Haar in einem schäbigen schottischen Altersheim für ehemalige Soldatenschinder.
    »Nur mal nebenbei«, sagte der Sergeant Major. »Weißt du, weshalb ich so gern hier draußen bin? Wegen der Weite. Hier gibt es so viel Platz, dass ein Mann gut herausfinden kann, wer er eigentlich ist. Du verstehst mich doch, oder?«
    Emmanuel antwortete nicht. Beim Idiotentest der Army hatten sie ihm bescheinigt, dass er sauber war. Geheilt und wieder fähig zum aktiven Dienst, hatte in den Krankenpapieren gestanden.
    »Die zitternden braunen Hände der Kleinen. Und das Gefühl in deiner Brust, so eng und so brennend.«
    Emmanuel fuhr langsamer, jetzt bloß keinen Unfall bauen.
    »Du weißt ja sicher, was das war. Nicht wahr, Emmanuel? Du Vorzeigesoldat, du geborener Anführer, du cleverer kleiner Detective?«, hackte der Sergeant Major weiter auf ihm herum. »Du würdest zwar gern glauben, dass es nur die Scham war. Aber wir beide, ich und du, wir kennen die Wahrheit.«
    »Verpiss dich.«
    »Es ist schon so lange her, seit du etwas empfunden hast.«
    »Ich habe keine Ahnung, wovon du redest.«
    »Hast du doch«, widersprach der Sergeant Major. »Es hat dir doch Spaß gemacht, sie zu malträtieren und dich nicht dafür zu entschuldigen. Hat sich gut angefühlt. Stimmt’s, mein kleiner Soldat?«
    Emmanuel hielt an und atmete tief durch. Es war helllichter Tag. Noch Stunden, bevor die Veteranenkrankheit sich wieder anschleichen und die Alpräume ihn schweißgebadet aufwachen lassen würden.
    Er riss sich das Hemd auf und warf es zusammen mit der Jacke auf den Rücksitz. Der Gestank, der in den Sachen hing, hatte einfach nur tief vergrabene Erinnerungen wieder an die Oberfläche befördert, mehr nicht. Die absurden Anschuldigungen des Sergeant Major stimmten gar nicht.
    »Bis du fertig?«, fragte

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