Ein schöner Ort zu sterben
einen Blick über die Schulter.
»Ich werde Ihnen nichts tun«, sagte er. »Falls Sie sich davor gefürchtet haben sollten.«
Sie starrte auf die Spitzen ihrer ausgetretenen Schuhe. »Nein. Aber Mr. King wird wütend, wenn er erfährt, dass ich hier drin war.«
»Warum?«
»Weil die Hütte dem Captain gehört. Keiner außer dem Captain selbst darf hier rein.«
»Warum sind Sie trotzdem hergekommen?« Sie musste doch die Limousine gesehen und gewusst haben, dass einer »von seiner Art« hier drinnen war.
»Sie sind schon vor einer ganzen Weile bei Mr. King abgefahren. Ich bin vorbeigeritten und dachte, vielleicht ist Ihr Auto kaputt.«
Emmanuel lehnte sich vor und spritzte sich das kühle Flusswasser auf Gesicht und Nacken. Irgendetwas stimmte hier nicht. Normalerweise hielten sich Schwarze und Farbige nach Möglichkeit von den Angelegenheiten der Weißen fern, erst recht, wenn die Staatsgewalt im Spiel war. Und doch befand diese Frau sich hier in die Hütte, heftig atmend und mit zitternden Händen.
»Waren Sie vorher schon einmal hier drinnen?«
»Nein«, kam die postwendende Antwort. »Was sollte ich im Privathaus von Captain Pretorius zu suchen haben?«
»Keine Ahnung«, gab Emmanuel trocken zurück. »Vielleicht haben Sie für ihn saubergemacht?«
Auch die Sauberkeit in der Hütte wollte irgendwie nicht passen. Er warf Davida einen raschen Blick zu. »Hat Ihre Mutter jemals hier für den Captain geputzt?«
Inzwischen verbarg sie ihre Hände hinter dem Rücken, wo er sie nicht sehen konnte. »Ich habe Ihnen doch schon gesagt, nur Captain Pretorius durfte hier rein.«
»Wer weiß sonst noch von diesem Ort?«
»Nur die in Bayete Lodge. Mr. King hat uns verboten, den Leuten in der Stadt etwas davon zu erzählen. Alle mussten es versprechen. Die Hütte sollte eine Weihnachtsüberraschung für die Söhne des Captains werden.«
Emmanuel untersuchte seine zerschrammten Fingerknöchel, die inzwischen eine gespenstische Ähnlichkeit mit denen des Captains hatten.
»Haben Sie jemandem davon erzählt?«
»Nie«, antwortete sie mit Nachdruck.
»Wie viele Leute arbeiten in Bayete Lodge?« Allmählich kehrten sein klarer Kopf und die Konzentrationsfähigkeit zurück, die beide von dem blutigen Kuss des Holzprügels arg in Mitleidenschaft gezogen worden waren. Zunächst ging es jetzt einmal darum, den Kreis der Verdächtigen einzuengen und sich die vorzuknöpfen, die von der Hütte wussten.
»Ungefähr zwanzig«, antwortete Davida. »Die meisten sind fürs Wochenende zur Location gefahren. Mr. King hat ihnen wegen der Beerdigung zwei Tage frei gegeben.«
Das beschränkte die Verdächtigen für den Angriff auf eine Handvoll. »Wer ist im Augenblick noch auf der Farm?«
»Meine Mutter, der Fahrer Matthew, Mr. King, Winston und der Nachtwächter Jabulani.«
»Das macht sechs, Sie eingeschlossen«, überlegte Emmanuel laut. Der Kreis der Verdächtigen hatte mittlerweile auf einem Stecknadelkopf Platz. Und auf dem konnten vielleicht Engel tanzen, nicht aber ein Dieb oder Mordverdächtiger. »Hat einer von denen das Haus verlassen?«
»Nur ich.«
»Sind Sie sicher?«
Für eine Sekunde flackerten ihre Augen. »Als ich los bin, waren noch alle da.«
Einen Moment lang stellte er sich Davida als Täterin vor, dann wandte er sich zur Tür. Diese scheue braune Maus konnte ja kaum den Kopf auf den eigenen Schultern halten, geschweige denn so kräftig mit einem Prügel ausholen, dass sie einen ausgewachsenen Mann bewusstlos schlug. Trotzdem, irgendwie irritierte es ihn, dass sie in der Hütte war. Er wechselte das Thema.
»Als Sie auf die Hütte zukamen, haben Sie da irgendetwas gehört oder gesehen?«
»Na ja …« Sie dachte einen Augenblick nach. »Da war etwas …«
»Was?«
»Ein Geräusch. Es war eine Maschine.«
»Ein mechanisches Rattern wie von einem Motor.« Die Erinnerung, immer noch verschwommen und vage, drängte zurück ans Licht. Kurz bevor er ohnmächtig geworden war, hatte er das Geräusch wahrgenommen. »Jetzt fällt es mir wieder ein.«
Der stecknadelgroße Kreis der Verdächtigen fiel in einen Heuhaufen. Sein Angreifer war nicht nur mit einem Holzprügel und einer vollen Blase, sondern auch mit einem eigenen Fahrzeug zur Hütte gekommen. Es war unwahrscheinlich, dass einer der Angestellten von Bayete Lodge ein größeres Verkehrsmittel besaß als ein Fahrrad. Blieben noch die Holländer, die mit dem Traktor oder dem Motorrad, dem PKW oder dem Lastwagen in die Stadt gefahren waren. Hatte
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