Ein schöner Ort zu sterben
Detective.«
Emmanuel nickte und marschierte vor Shabalala zum Gartentor. Es war Halbmond, aber das Licht war trotzdem hell genug, um etwas sehen zu können. Draußen auf dem Kaffernpfad wandte sich Emmanuel dem schwarzen Polizisten zu.
»Erzählen Sie mir von den Briefen«, sagte er.
»Ich habe keine Briefe gesehen«, antwortete Shabalala einfach.
Emmanuel blickte in das verschlossene Gesicht seines Partners.
»Hat der Captain die Briefe gesehen?«
»Ahm …« Shabalala räusperte sich nervös. »Er hat sie gesehen, ja.«
»Hat der Captain gesagt, von wem sie waren?«
»Von denen da. Harrys beiden Jüngsten.«
»Warum hat der Captain Post für Harry angenommen?«
»Ahm …« Diesmal versiegelte der Constable seine Lippen, er würde nichts mehr preisgeben.
Emmanuel musterte ihn und konnte dabei zusehen, wie Shabalala dichtmachte.
»Niemand wird erfahren, was Sie mir heute Abend erzählen, Constable«, sagte er. »Ich verspreche es.«
Shabalala nahm den Hut ab und drehte ihn in seinen großen Händen wie ein Rad. Dann hörte der Hut auf zu rotieren, und Shabalala seufzte tief.
»Die Töchter des Alten leben bei den Weißen. Sie können nicht an ihre Familie schreiben. Jemand könnte draufkommen.«
»Wie sind sie an weiße Personalausweise gelangt?«
»Sie sind doch Weiße. Genauso weiß wie die Holländer. Der Captain hat gesagt, sie sollten sich in der Stadt anmelden, und wenn es Probleme gäbe, würde er behaupten, sie stammten aus einer europäischen Familie.«
»Hat der Captain Ihnen das erzählt?«
»Ja.«
»Warum hat er das gemacht?« Nach dem zu urteilen, was Emmanuel mitbekommen hatte, stand die Familie Pretorius felsenfest auf der Seite der Rassentrennung. In ihrer Welt war die Vermischung der Rassen keine Geschmacksverirrung, sondern ein Verbrechen.
»Ich weiß nicht, warum er es gemacht hat«, antwortete Shabalala. Er setzte seinen Hut wieder auf und zog ihn tief in die Stirn.
»Wenn Sie es wüssten, würden Sie es mir dann sagen?«
Der Constable spreizte versöhnlich die Hände. »Ich habe Ihnen alles gesagt, was ich sagen konnte«, erklärte er höflich.
Emmanuel nickte. Der schwarze Polizist würde ihm alles sagen, was er konnte. Nicht alles, was er wusste. War es möglich, dass das starke Band zwischen schwarzen und weißen Spielgefährten, das in der Kindheit so alltäglich war, im Falle von Captain Pretorius und Constable Shabalala tatsächlich den Übergang ins Erwachsenenleben überdauert hatte?
»Die Männer da in der Polizeiwache«, sagte Emmanuel, »die werden nicht darauf warten, dass Sie ihnen erzählen, was sie wissen wollen. Die besorgen sich Informationen auf dem schnellstmöglichen Weg. Ist Ihnen das klar?«
»Voll und ganz«, antwortete Shabalala.
»Die können tun, was ihnen gerade passt.«
»Das habe ich gesehen«, antwortete Shabalala leise.
Emmanuel wandte sich zum Gehen, blieb dann aber doch noch einmal stehen. »Sie sagten: ›Madubele und seine Brüder.‹ Wer ist Madubele?«
»Der dritte Sohn des Captains und seiner Frau.«
»Erich?«
»Ja. Der dritte Sohn hat ein hitziges Temperament. Er kann jederzeit hochgehen wie ein Gewehrschuss, deshalb hat er diesen Namen bekommen.«
»Sagen Sie mir die anderen Namen«, bat Emmanuel. Die Namen, die die Eingeborenen den Leuten gaben, trugen immer eine unmittelbar einleuchtende Wahrheit in sich.
Shabalala hob die Hand wie ein Schulmeister und zählte an seinen fünf Fingern ab. »Der erste ist Maluthane. Er hält sich zu Unrecht für den Boss. Der zweite heißt Mandla, weil er stark wie ein Ochse ist. Der dritte ist Madubele, und der vierte ist Thula, weil er still ist. Nummer fünf ist Mathandunina, das bedeutet, er wird von seiner Mutter geliebt und liebt sie wieder.«
Jeder Name enthielt eine grobe Skizzierung der Pretorius-Jungen. Jede war in ihrer Bedeutung ziemlich zutreffend. Selbst Louis, der Kleinste, war beschrieben, wenn auch nicht als er selbst, sondern in Bezug auf seine Mutter.
»Wie lautet Ihr Name?«, wollte Emmanuel wissen.
»Er ist lang. Sie können zwar Zulu, aber selbst Ihnen wird es nicht gelingen, ihn auszusprechen.«
Emmanuel lächelte. Es war das erste Mal, dass der schwarze Constable in seinem Beisein einen Witz gemacht hatte. In fünf oder zehn Jahren wäre Shabalala möglicherweise soweit, ihm die Wahrheit über den Captain zu verraten.
»Sagen Sie mir, wie er lautet«, bat Emmanuel.
»Myamauhavu.«
»Die schwarze Hälfte«, übersetzte Emmanuel rasch. »Die schwarze Hälfte
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