Ein schöner Ort zu sterben
von was?«
Shabalala zögerte einen Moment. »Die schwarze Hälfte von der weißen Hälfte.«
»Und der Captain ist die weiße Hälfte«, riet Emmanuel.
»Das ist richtig.«
Emmanuel stellte sich die Menschen auf der alten Pretorius-Farm vor, die mit brennenden Herzen verfolgt hatten, wie der junge Shabalala und der junge Pretorius die Farm der Länge und Breite nach durchquert hatten wie einst die Zulu-Krieger in ihren Impis.
»Was hält eigentlich Mrs. Pretorius von diesem Namen?«
»Sie glaubt, dass aus Gottes Sicht alle Menschen Brüder sind.«
»Waren Sie und der Captain wie Zwillinge?«
»Nein«, antwortete Shabalala. »Ich werde immer der kleine Bruder bleiben.«
Emmanuel konnte Shabalalas Resignation spüren. Nie der Mann, immer nur der Garten-Boy. Nie die Frau, immer nur das Hausmädchen.
»Hat der Captain Sie auch so gesehen?«
»Nein.«
»Sie empfanden ihn als Ihren Bruder?«
»Yebo«, bestätigte der Constable.
Emmanuel musterte das Gesicht des schwarzen Mannes. Die Anführer des Burenstammes machten ein großes Gewese um die Blutsbande. Nicht umsonst war ihre geheimste Organisation, der Broederbond, eine Blutsbruderschaft. Was aber war mit Banden, die die Grenze zwischen Schwarz und Weiß übertraten?
»Ich werde alles herausfinden«, sagte Emmanuel. »Selbst wenn es Ihnen und der Familie des Captains wehtut – ich werde es herausfinden.«
»Ich weiß, dass das zutrifft.«
»Gute Nacht, Shabalala.«
»Hamble Gashle. Einen guten Weg, Sergeant.«
Emmanuel wandte sich um und marschierte den schmalen Kaffernpfad entlang, der zu den Häusern der Farbigen und der Handvoll schäbiger Geschäfte führte, in denen die Nicht-Weißen einkauften. Er brauchte einen Drink, und das Standard Hotel war wirklich der letzte Ort, wo er einen bestellen würde. Also musste er wohl noch Tiny und seinem Sohn einen späten Besuch abstatten.
Er kam um eine Biegung und sah linker Hand das Gelände des Sportklubs, wo nun nach der Beerdigung einige Familien von den Farmen kampierten. Wie die Wagenburgen aus der Pionierzeit hatten sie ihre Pritschenwagen im Kreis aufgestellt. Emmanuel duckte sich und sah zu, dass er ungesehen an dem Klub vorbeikam. Erst als er vor sich die dunkle Silhouette des Mercy of God -Krankenhauses erkannte, richtete er sich wieder auf.
Vorbei an einem Stück Brachland, das von herbeigewehtem Müll geziert wurde, eilte er auf den kleinen Häuserblock zu, der von den Farbigen bewohnt wurde. Das erste Haus stand auf einem großen Grundstück und verbarg sich hinter einem hohen Holzzaun und einer Reihe ausgewachsener Eukalyptusbäume. Emmanuel fuhr mit der Hand über den Zaun. Seine Fingerkuppen glitten über das Holz und das schmale Tor, das in den Garten führte. Im Dunkeln unterwegs zu sein hatte etwas für sich. Alles war ruhig, und man blieb unerkannt.
Genau so, dachte er, musste Captain Pretorius sich gefühlt haben. Frei wie ein Gott, wenn er jede Grenze in seiner kleinen Stadt übertrat. Emmanuel blieb stehen und sah über die Schulter zurück zum Krankenhaus. Genau hier, an dieser Stelle des Kaffernpfades hatte der Captain Donny Rooke windelweich geprügelt.
Draußen auf den Straßen, in den Häusern und Geschäften war der Captain als guter Mensch angesehen, anständig und aufrichtig. Aber hinter der Fassade, im Schatten der Kaffernpfade – wer war er da?
Emmanuel kam an Antons ausgebrannter Garage vorbei. Noch zwei Häuser und eine kleine Kirche. Der Pfad machte einen scharfen Linksknick und führte an dem leeren Grundstück neben Poppies General Store entlang. Danach kam auch schon das Fine Liquor Emporium. Am Tor verlangsamte Emmanuel seine Schritte, ging aber nicht hinein. Über den Zaun hinweg wehte die schrille, beschwipste Stimme einer Frau herüber.
»Du bist ein schlimmer Kerl, Tiny. Ein gaaanz schlimmer Kerl.«
»Wie kann ich ein schlimmer Kerl sein, wenn alles, was ich mit dir anstelle, dir so gut tut? Wie gefällt dir das hier, hm?«
Emmanuel tastete sich am Zaun entlang, bis er eine ausreichend große Lücke gefunden hatte, durch die er hindurchspähen konnte. Er kniff die Augen zusammen. Tiny und sein Sohn, beide betrunken und ohne Hemd, machten sich an den Kleidern von zwei nicht mehr ganz taufrischen farbigen Mädchen zu schaffen. Emmanuel erkannte die Frau wieder, die sich gerade wie eine Wachsdecke über Tinys prallen Bauch schob. Er hatte sie vor Poppies General Store gesehen, mit einem Kleinkind an der Hand.
»Mmm … jaaa …«, stöhnte die Frau mit
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