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Ein schottischer Sommer: Roman (German Edition)

Ein schottischer Sommer: Roman (German Edition)

Titel: Ein schottischer Sommer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maryla Krüger
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Gedanke, dass wir tatsächlich auf uns allein gestellt sind, behagt mir nicht.“
    „Es gibt keinen zuverlässigen Beweis, dass es etwas gibt, das dafür sorgt, dass wir nicht allein auf uns gestellt sind.“
    „Scherzkeks“, sagte ich, und Lucas fing an zu lachen.
    „Und der Gewinner ist …“, rief Finn und vollbrachte mit den Fingern auf dem Armaturenbrett einen Trommelwirbel. „Seine Lordschaft, Ryan der Dritte.“
    Ryan warf mir noch einen Blick im Rückspiegel zu, diesmal jedoch tanzte der Schalk in seinen Augen.
    Eine halbe Stunde später war Lucas fast eingeschlafen, Finn wippte mit dem Kopf zum Takt der Musik, während er an einer seiner Kameras herumbastelte, und Ryan lenkte den Landrover mit stoischer Gelassenheit über die teils engen Straßen. Ich hatte endlich ein wenig Zeit, meinen eigenen Gedanken nachzuhängen und meine Weggefährten unauffällig genauer zu betrachten.
    Lucas war der Kumpeltyp, mit leichtem Bierbauch und leuchtend rotem, kurzem Haar. Seine Jeans hing etwas zu tief, so dass stets etwas von seinen karierten Boxershorts zu sehen war. Er strahlte Gemütlichkeit aus wie ein Teddybär.
    Finn war das absolute Gegenteil. Etwa einen Meter neunzig groß, gertenschlank, mit dunklen, etwas längeren Haaren und betont eleganter Kleidung. Er sah gut aus, allerdings wusste er das auch, und durch seine Art, dies nicht zeigen zu wollen, unterstrich er es noch. Doch sein frisches, unkompliziertes Gemüt machte ihn zu einem angenehmen Kerl, und ich war mir seltsamerweise absolut sicher, dass er ein sehr ehrlicher Mensch war.
    Ryan gab mir einige Rätsel auf. Er trieb dieselben, teilweise derben Scherze wie Finn und Lucas, und trotzdem hatte ich das Gefühl, dass in seinem Inneren ein überaus ernsthafter Charakter steckte, und er hatte, da war ich mir wiederum sicher, ein paar Geheimnisse. Vielleicht schlug er sich mit den Geistern seiner Vergangenheit herum, so wie es viele von uns tun müssen. Er war genauso groß wie Finn; vielleicht noch einen Tick größer, jedoch breiter, kräftiger in der Figur, wie ein Schwimmer, und er war von Kopf bis Fuß schwarz gekleidet, was im Gegensatz zu seinem dunkelblonden, leicht verwuschelt aussehenden Haarschopf stand. Es schien mir so weich zu sein, dass ich dem Bedürfnis, ihm durchs Haar zu streichen, nur mit Mühe widerstehen konnte. Seine Augen waren leuchtend grün. Ich bekam einen leichten Schreck, als ich diese Augen erneut im Spiegel fand, und schaute schnell aus dem Fenster.
    „Sag mal, mo charaid .“ Lucas beugte sich etwas vor und ließ seine leere Bierflasche vorsichtig zwischen den Knien zu Boden gleiten. „Kannst du dich noch an das Dobhran òr Inn erinnern? Da haben wir damals Halbzeit gemacht, als wir hoch nach Ullapool mussten. Weißt du noch – die kleine, blonde Kellnerin?“
    „Aye, warum?“, fragte Ryan.
    „Warum? Ich habe Hunger, verdammt!“
    „Frühstück wäre eine gute Idee“, sagte Finn und drehte sich halb zu mir um. „Was meinst du, Jo?“
    „Ja, klar! Gerne!“
    Ryan blickte kurz auf seine Uhr und nickte. „Okay. Lasst uns was essen.“
    Das Gasthaus lag idyllisch auf einem Hügel, umgeben von Zwergbirken und einem kleinen Bach. Es bestand komplett aus Feldsteinen, die wie abgesägt und poliert wirkten, die Fenster hatten Sprossen und braune Läden, und das Dach war mit Schindeln gedeckt. Über der Eingangstür schwang ein rostiges Schild im Wind, auf dem Dobhran òr Inn stand. Lucas hatte mir gesagt, dass der Name „Gasthaus zum goldenen Otter“ bedeutete – und solch ein goldiges Tierchen aus grün angelaufenem Kupfer hockte auf der Treppenstufe und war mit dicken Eisenstiften durch die Pfoten diebessicher an den Zement genagelt. Vier Schornsteine thronten auf dem First, zwei davon schickten Rauchschwaden in den wolkenverhangenen Himmel. Das einzig Moderne, das in Sichtweite zu finden war, war unser Landrover und ein kleiner John - Deere- Traktor, der an der Seite eines ehemaligen Heuschobers stand. Drinnen war es genau so eingerichtet, wie der Anblick von außen es versprach. Tische und Bänke aus guter alter Eiche und kupferne Lüster an der Decke und den Wänden, die trotz der Helligkeit des Tages nur ein heimelig wirkendes Halblicht verströmten. An den weiß verputzten Wänden befanden sich mindestens zwanzig Kupferstiche, und über dem Kamin hing ein weiterer riesiger, ausgestopfter Otter.
    Zu Lucas’ Leidwesen war nichts von einer kleinen, blonden Kellnerin zu sehen, was ihm allerdings nicht den Appetit

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