Ein Schritt ins Leere
Stellung in einem anderen Erdteil anboten, und als das fehlschlug, versuchten sie, dich gänzlich aus dem Weg zu räumen.»
«Ist das nicht eine etwas drastische Maßnahme? Und überdies ein ziemlich großes Wagnis?»
«Pah! Darauf kommt es einem Mörder nicht an! Wer einmal gemordet hat, ist schnell mit einem weiteren Mord bei der Hand. Die Schwierigkeit liegt darin herauszufinden, was du ihres Erachtens gesehen haben könntest.» Sie erhob sich. «Bobby, ich muss jetzt fort. Soll ich morgen wiederkommen?»
«O bitte, bitte. Das Geschwätz der Pflegerin ist trostlos eintönig. Du bist übrigens sehr rasch von London zurückgekehrt, Frankie.»
«Sobald ich von deinem Missgeschick erfuhr, raste ich heimwärts. Es ist so spannend, einen romantisch vergifteten Freund zu haben.»
«Morphium – und Romantik?», warf Bobby zweifelnd hin.
«Also dann bis morgen. Soll ich dir nun einen Kuss geben oder nicht?»
«Ich habe keine ansteckende Krankheit!»
«Nein? Nun, dann will ich meine Pflicht dem Patienten gegenüber restlos erfüllen.» Und sie küsste ihn leicht auf die Wange.
Ein Weilchen später kam die Schwester mit Bobbys Nachmittagstee herein.
«Ich habe Lady Frances Derwent zwar schon häufig in ihrem Wagen durch die Stadt fahren sehen, doch heute sah ich sie zum ersten Mal aus nächster Nähe», plapperte sie. «Sehr vornehm! Eine Aristokratin vom Kopf bis zur Zehe, aber nicht ein bisschen hochmütig, wie?»
«Nein», erwiderte Bobby Jones lakonisch.
«Wissen Sie, was ich gerade eben zur Küchenschwester sagte? Lady Frances ist genauso wie Sie und ich. Und das stimmt!»
Der Patient fand, dass dies durchaus nicht stimmte, behielt indes seine Meinung für sich. Und verärgert über sein Schweigen, verließ Schwester Ellen das Zimmer.
Langsam trank Bobby seinen Tee. Dann erwog er die Möglichkeiten von Frankies erstaunlicher Theorie, verwarf sie schließlich und hielt nun nach anderen Zerstreuungen Ausschau.
Sein Blick fiel auf die Vase mit Lilien. Süß von Frankie, ihm diesen Arm voll Blumen zu bringen, aber es hätte nichts geschadet, wenn sie ihre Gabe durch ein paar Detektivromane ergänzt haben würde. Gegenwärtig verfügte er über keine andere Lektüre als die Marchbolt Weekly T i mes von der letzten Woche, und sicher lohnte es nicht, hineinzuschauen.
Nichtsdestoweniger schlug er sie gähnend auf, um wenige Augenblicke später die unter seinem Kissen liegende Klingel mit einem Ungestüm zu drücken, dass die Pflegerin im Nu hereinstürzte.
«Um Gottes willen, Mr Jones! Fühlen Sie sich schlecht?»
«Telefonieren Sie sofort zum Schloss hinauf», rief Bobby, «und bestellen Sie, Lady Frances müsse mich sofort besuchen.»
«Aber Mr Jones», entsetzte sich seine Hüterin. «Eine derartige Bestellung können Sie doch unmöglich ausrichten lassen!»
«Kann ich nicht? Wenn ich von diesem verflixten Bett aufstehen dürfte, würden Sie schon sehen, ob ich es kann. Rasch, rasch, Schwester.»
«Lady Frances wird kaum schon wieder im Schloss sein.»
«Blech! Sie kennen den Bentley nicht.»
«Jedenfalls wird sie noch nicht ihren Tee getrunken haben.»
«Meine Gute, all Ihre Einwände sind Firlefanz. Tun Sie, was ich Ihnen sage. Bestellen Sie Lady Frances, sie möge sofort kommen, weil ich ihr etwas Wichtiges mitzuteilen hätte.»
Überwältigt, doch unwillig machte Schwester Ellen kehrt. Indes nahm sie sich die Freiheit, Bobbys Botschaft in ein anderes Gewand zu kleiden.
Wenn es Lady Frances nicht allzu viel Mühe machte, bäte Mr Jones, sie möge doch noch einmal bei ihm vorsprechen, weil er ihr etwas zu sagen habe. Aber natürlich solle sich Lady Frances nicht stören lassen.
Lady Frances erwiderte kurz und bündig, dass sie in einer Minute abfahren würde.
«Verlassen Sie sich drauf», tuschelte die Pflegerin ihren Kolleginnen zu, «sie ist verliebt in ihn!»
Frankie brannte vor Neugier.
«Was bedeutet dieser Verzweiflungsschrei?», fragte sie, noch auf der Schwelle des Krankenzimmers.
Bobby saß aufrecht im Bett. Helle rote Flecken brannten auf seinen Wangen. Und ungestüm wedelte er mit der Marchbolt Weekly Times durch die Luft.
«Sieh her, Frankie. Ist dies das Bild, das du eine widerliche Fratze nanntest?»
Sein Finger wies auf eine etwas dunkle Reproduktion einer Fotografie. Darunter stand: «Bild, das man bei dem Toten fand und mit dessen Hilfe er identifiziert wurde – Mrs Amelia Cayman, die Schwester des Verunglückten.»
«Gewiss. Aber warum gerätst du darüber außer Rand
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