Ein Schritt ins Leere
zurückzufahren. Wozu dann überhaupt die ganze Fahrt? Warum dann nicht einfach schreiben?»
Ihr nächster Besuch galt der Polizeiwache.
Inspektor Williams war ein alter Bekannter, der sich rühmen konnte, ein mit Frankies Schmuck durchgebranntes Hausmädchen wieder eingefangen zu haben.
«Guten Tag, Inspektor.»
«Guten Tag, Lady Frances. Hoffentlich nicht wieder ein Diebstahl?»
«Bis jetzt noch nicht. Aber ich glaube, dass ich selbst bald einen Bankraub ausführen werde, da ich ständig knapp bei Kasse bin. Heute treibt mich die Neugier zu Ihnen, Inspektor. Sagen Sie mal, dieser Mann, der über die Klippen fiel – Pritchard oder so ähnlich hieß er…»
«Ganz recht, Pritchard.»
«Hat der nur eine Fotografie bei sich gehabt? Irgendwer wollte mir weismachen, es seien drei gewesen.»
«Eine, Lady Frances. Nicht mehr. Eine Fotografie seiner Schwester, die ihn hernach identifizierte.»
«Wie kann man dann von dreien reden…?»
«Ach, diese Reporter übertreiben immer schamlos. Manche saugen sich die Dinge buchstäblich aus den Fingern.»
«Ja, ja. Es gehen die wildesten Gerüchte um.» Sie machte eine kleine Pause und ließ dann ihre Fantasie schweifen. «Ich habe gehört, dass seine Taschen zum Bersten voll waren mit bolschewistischem Propagandamaterial. Eine andere Lesart lautet, er habe ganze Tüten voll Kokain bei sich gehabt, und eine dritte, man habe Bündel gefälschter Banknoten bei ihm gefunden. Ist etwas Wahres daran, Inspektor?», fragte sie scheinheilig.
«Nichts. Der Inhalt der Taschen war denkbar kläglich. Ein Taschentuch ohne Monogramm; etwas Wechselgeld, ein Päckchen Zigaretten und ein paar Geldscheine – lose, nicht in einer Brieftasche. Ohne das Bild wäre es eine harte Nuss gewesen, seine Personalien festzustellen. Glückliche Fügung können Sie es nennen.»
«Ja, wirklich», sagte Frankie, obwohl sie, dank ihrer privaten Kenntnisse, den Ausdruck für durchaus unzutreffend hielt. «Ich habe gestern Mr Jones, den Sohn des Pfarrers, besucht», wechselte sie das Thema. «Eine unglaubliche Sache!»
«Ja. So etwas ist noch nie da gewesen. Ein überall beliebter junger Gentleman, und wird vergiftet! Es treiben sich ja etliche verdächtige Gesellen in der Gegend herum. Dennoch habe ich nie von einem mordlustigen Irren gehört, der seine krankhaften Gelüste auf diese Art befriedigte.»
«Hat man schon irgendeinen Anhaltspunkt?» Frankie beugte sich weit nach vorn. «Inspektor, Sie ahnen nicht, wie interessant es ist, all dies aus erster Quelle zu erfahren!»
Inspektor Williams blähte sich vor Stolz und Freude. Nicht jeder Tag schenkte ihm den Genuss einer freundschaftlichen Unterhaltung mit der Tochter des Grafen.
«Man hat eine dunkelblaue Talbot-Limousine in der Nachbarschaft gesehen», berichtete er bereitwillig. «Ein Mann unweit Lock’s Corner meldete es. Eine dunkelblaue Limousine, Nummer GG 8282, die in Richtung St. Botolph fuhr.»
«Und Ihre Meinung?»
«GG 8282 ist die Nummer vom Wagen des Bischofs von St. Botolph, Lady Frances.»
Eine Minute lang spielte Frankie mit der Idee eines mordlustigen Bischofs, der seine Opfer in den Reihen der Pfarrerssöhne suchte; aber seufzend verwarf sie sie wieder.
«Den Bischof verdächtigen Sie doch nicht, Inspektor?»
«Wir haben festgestellt, dass sein Wagen an dem fraglichen Nachmittag die Garage überhaupt nicht verlassen hatte.»
«Also bediente man sich einer falschen Nummer?»
«Jawohl. Aber auch das werden wir bald aufgeklärt haben.»
«Davon bin ich überzeugt», schmeichelte Frankie und erhob sich, um sich zu verabschieden.
Ins Schloss zurückgekehrt, holte sie das Marchbolter Adressbuch vom Schreibtisch der Bibliothek und nahm es mit in ihr eigenes Zimmer, wo sie emsig zu arbeiten begann. Das Ergebnis war entmutigend.
Dreihundertzweiundzwanzig Evans gab es in Marchbolt. «Verdammt!», schimpfte Frankie. Und nach diesem wenig damenhaften Ausdruck schmiedete sie Pläne für die Zukunft.
10
E ine Woche später stellte sich Bobby Jones bei Badger in London ein. Von Frankie hatte er mehrere rätselhafte Mitteilungen erhalten, die so eilig und daher so undeutlich hingekritzelt waren, dass er deren Inhalt fast erraten musste. Immerhin begriff er so viel, dass Frankie einen Plan entworfen hatte und dass er – Bobby – nichts unternehmen sollte, bis er Genaueres von ihr hören würde. Das passte ihm vorzüglich, da er ohnehin keine Zeit gehabt hätte, etwas zu unternehmen, denn der unglückliche Badger steckte
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