Ein Schritt ins Leere
untersucht er mich, verkündet die Diagnose: ‹Glücklicherweise ist die Sache glimpflicher abgelaufen, als ich zunächst fürchtete. Keine Knochen gebrochen; indes besteht die Gefahr einer Gehirnerschütterung. Zwei oder drei Tage unbedingte Ruhe sind vonnöten.› Nach dieser fingierten ärztlichen Anweisung fährt George davon, und mir bleibt es überlassen, mich bei den Mitgliedern des Hausstandes beliebt zu machen, so gut ich kann.»
«Und wann tauche ich auf?»
«Gar nicht.»
«Aber ich bitte dich, Frankie…»
«Mein liebes Kind, erinnere dich gefälligst, dass Bassington-ffrench dich kennt. Mich dagegen kennt er nicht. Außerdem wird meine Stellung riesig dadurch gestärkt, dass ich einem gräflichen Geschlecht entstamme. Hätte mir nie träumen lassen, dass sich das mal als nutzbringend erweisen könnte. Jawohl, Bobby, ich bin nicht irgendein hergelaufenes junges Weibsbild, das sich zu mysteriösen Zwecken ins Haus zu schleichen trachtet; nein, ich bin die Tochter von Lord Marchington und daher höchst ehrenhaft! Und George ist ein wirklicher Doktor, sodass auch in diesem Punkt kein Verdacht entstehen kann.»
«Oh, daran ist nichts auszusetzen. Nur…»
«Mein Plan verdient höchste Anerkennung», sagte Frankie stolz.
«Gewiss, gewiss. Doch ich soll ganz untätig bleiben?»
Bobby Jones fühlte sich benachteiligt – etwa wie ein Hund, dem unerwartet ein Knochen fortgenommen wurde. Dies Verbrechen ging doch in erster Linie ihn an…!
«Untätig bleiben?», wiederholte Frankie seine Worte. «Durchaus nicht, Darling! Du lässt dir einen Schnurrbart wachsen.»
«Was…?»
«Ja. Wie lange wird das dauern?»
«Zwei oder drei Wochen vermutlich.»
«Barmherziger! So langsam wächst ein Bart…? Kannst du das Wachstum nicht beschleunigen?»
«Nein. Warum darf ich keinen falschen benutzen?»
«Weil man dessen Falschheit immer merkt. Entweder verdreht er sich, oder er fällt ab, oder er riecht nach Klebstoff. Halt! Ich glaube, es gibt neuerdings eine Methode, bei der sozusagen Haar für Haar einzeln befestigt wird. Dadurch wirkt der Bart durchaus echt. Bobby, der Perückenmacher von einem Theater versteht sich auf so etwas.»
«Er wird denken, ich wolle mich der Justiz entziehen.»
«Was er denkt, ist gleichgültig.»
«Und wenn ich den Bart habe – was dann?»
«Dann schmückst du dich mit einer Chauffeurslivree und fährst den Bentley nach Staverley.»
Bobbys Gesicht strahlte.
«Meine Überlegung ist folgende», führte Frankie aus. «Einem Chauffeur schenkt niemand viel Beachtung. Zudem hat Bassington-ffrench dich nur zwei Minuten gesehen, und die Frage, ob es ihm gelingen würde, die Fotografie rechtzeitig zu vertauschen, dürfte ihn mehr beschäftigt haben als dein Gesicht, mein Lieber. Du warst für ihn nichts als ein junger, Golf spielender Dachs. Er hat dir nicht wie die Caymans gegenübergesessen und dich, wie sie, ausgehorcht und dabei genau beobachtet. Ich möchte wetten, dass Bassington-ffrench dich in Chauffeurslivree auch ohne Schnurrbart nicht wieder erkennen würde. Mit dem Schnurrbart aber droht keinerlei Gefahr. Na, wie gefällt dir mein Plan?»
«Ausgezeichnet, Frankie.»
«Freut mich. Dann wollen wir uns mal dem Wagenkauf zuwenden… O weh, ich glaube, George hat dein Bett zerbrochen!»
«Nicht so schlimm!», versicherte Bobby gastfreundlich. «Es war kein besonders gutes Bett.»
Sie kletterten die Stiege wieder hinunter und betraten die Garage, wo ein nervöser junger Mann sie mit einem vagen «Hau, hau, hau», begrüßte. Seine äußere Erscheinung wurde leicht beeinträchtigt durch den Umstand, dass seine Augen eine entschiedene Abneigung bekundeten, in dieselbe Richtung zu blicken.
«Badger, du erinnerst dich doch noch an Frankie?»
Bestimmt erinnerte Badger sich nicht, doch er sagte wiederum liebenswürdig: «Hau, hau, hau!»
«Das letzte Mal, als ich Sie sah, steckten Sie mit dem Kopf im Schlamm, und wir mussten Sie an den Beinen herauszerren», ließ Frankie sich vernehmen.
«Wirklich…? o… oh, das m-m-muss in W-w-wales gewesen sein.»
«Ja, es war in Wales.»
«Ich war schon immer ein m-m-m-iserabler R-r-r-eiter.»
«Frankie möchte einen Wagen kaufen», lenkte Bobby die Unterhaltung aufs Geschäftliche zurück.
«Zwei Wagen», verbesserte die Lady. «George braucht auch einen, weil sein eigener in Reparatur ist.»
«Wir können ihm einen leihen», schlug Bobby Jones vor.
«Sehen Sie sich mal unseren V-v-v-orrat an», fiel der Kompagnon ein.
Frankie
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