Ein Schritt ins Leere
Shropshirer Zweig und natürlich auch noch den irischen. Welches sind deine Freunde?»
«Ich weiß nicht genau», sagte Frankie, willig die Freundschaft mit unbekannten Leuten auf sich nehmend.
«Du weißt nicht genau? Was heißt das?»
«Ach, Papa, die Menschen treiben sich heute gern überall herum. Woher soll man wissen, wo sie ansässig sind?»
«Ja, sie treiben sich herum. Das stimmt! Zu meiner Zeit stellte man entsprechende Fragen, und im Handumdrehen hatte man ein paar verwandtschaftliche Beziehungen ausgegraben. Das ergab dann gleich ein gewisses Band.»
«Wie sinnig!», schwärmte Frankie. «Heutzutage fehlt leider die Zeit für solche genealogisch-geografischen Nachforschungen.»
«Ja. Heutzutage habt ihr für nichts anderes Zeit, als diese giftigen Cocktails zu trinken.»
Lord Marchington stieß einen jähen Schmerzensschrei aus, als er sein gichtiges Bein bewegte, das sich für allzu ausgiebiges Schlürfen von altem Portwein rächte.
«Sind sie wohlhabend?»
«Die Bassington-ffrenchs? Kann ich nicht sagen. Die Shropshirer haben, glaube ich, ziemlich viel Geld eingebüßt. Erbschaftssteuer und dergleichen. Einer von den Hampshirern hat eine amerikanische Millionärstochter geheiratet.»
«So? Irgendein Bassington-ffrench war neulich mal hier. Wollte sich ein Haus ansehen.»
«Nanu? Was will er denn mit einem Haus in Marchbolt?»
Das möchte ich auch gern wissen, dachte Lady Frances.
Am folgenden Tag spazierte sie in das Büro von Messrs Wheeler & Owen, Häuser- und Grundstücksmakler. Sie schenkte Mr Owen, der sie empfing, ein bezauberndes Lächeln und ließ sich in einen Sessel fallen.
«Was verschafft uns die Ehre Ihres Besuches, Lady Frances? Womit können wir Ihnen dienen? Sie wollen doch nicht etwa das Schloss verkaufen? Hahaha!», lachte Mr Owen über diesen Scherz.
«Sehr gern, wenn ich dürfte», entgegnete die junge Besucherin. «Ich mache mir nichts aus Schlössern. Aber nein, ich komme wegen einer anderen Sache. Ich glaube, ein Freund von mir war neulich bei Ihnen – ein Mr Bassington-ffrench. Es handelte sich wohl um ein Haus.»
«Ganz recht. Ich erinnere mich. Zwei kleine ff.»
«Jawohl.»
«Er erkundigte sich nach mehreren kleinen Grundstücken, doch da er schon am nächsten Tag nach London zurück musste, konnte er nur wenige der betreffenden Häuser besichtigen. Wenn ich ihn recht verstand, eilte die Sache nicht. Seit seiner Abreise haben wir zwei neue für ihn geeignete Objekte an die Hand bekommen, wovon ich ihm Mitteilung machte. Eine Antwort erhielt ich leider nicht.»
«Haben Sie ihm nach London geschrieben oder nach… seinem Landsitz?»
«Einen Moment, Lady Frances.» Er rief einen jungen Angestellten. «Frank, Mr Bassington-ffrenchs Adresse.»
«Roger Bassington-ffrench, Esq. Merroway Court, Staverley, Hants», schnatterte der junge Mann eifrig.
«Ah, dann war es nicht mein Bekannter», warf Frankie ein. «Ein Vetter wahrscheinlich. Es kam mir gleich sonderbar vor, dass er hier gewesen sein sollte, ohne mich aufzusuchen.»
«Durchaus begreiflich», versicherte Mr Owen.
«Warten Sie – war er nicht am Mittwoch hier?»
«Ganz recht, Lady Frances. Kurz vor halb sieben. Um halb sieben schließen wir nämlich. Ich habe es deshalb im Gedächtnis behalten, weil an jenem Tag der traurige Unglücksfall passierte. Mr Bassington-ffrench hatte sogar bis zur Ankunft der Polizei bei der Leiche ausgeharrt. Er sah ganz mitgenommen aus, als er zu uns ins Büro kam. Eine erschütternde Tragödie, und nur durch die Nachlässigkeit der Stadtverwaltung verursacht. Nun, sie ist schwer deswegen getadelt worden. Eigentlich ein Wunder, dass sich an dieser gefährlichen Stelle nicht schon mehr Unglücksfälle ereignet haben!»
Frankie verließ Mr Owen in sehr nachdenklicher Stimmung. Wie Bobby prophezeit hatte, schienen Mr Bassington-ffrenchs Handlungen kristallklar zu sein. Er gehörte zum Hampshirer Zweig, hatte nicht nur seine richtige Adresse angegeben, sondern dem Makler gegenüber auch seine Rolle in dem Drama erwähnt. Bestand die Möglichkeit, dass Mr Bassington-ffrench tatsächlich eine vollkommen unschuldige Person war…?
«Nein», sagte Frankie zu sich selbst, nachdem sie sich lange genug den Kopf zerbrochen hatte. «Ein Mann, der ein Grundstück zu kaufen wünscht, würde entweder früher hier eintreffen oder den nächsten Tag noch zur Besichtigung benutzen. Niemand sucht abends um halb sieben einen Häusermakler auf, um tags darauf in aller Frühe nach London
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